Ein Damenhaar misst die Luftfeuchtigkeit

Raimund Schultz aus Rödermark sammelt historische Geräte zur Wettererforschung. Die zeigt er jetzt bei einer Ausstellung im Töpfermuseum.
Von Anne Jäger
Selbst wenn heute in einer modernen Wetterstationen alle Geräte versagten, könnte Raimund Schultz vermutlich viele genaue Angaben zu Lufttemperatur, -druck, Wolkendichte und Sonnenstunden machen. Denn der 71 Jahre alte Urberacher besitzt eine Sammlung von historischen Wettermessinstrumenten, die all dies können – und das, obwohl sie nicht dem digitalen Zeitalter entstammen.
Da wäre zum Beispiel die Radiosonde aus den 50er Jahren. An einem Ballon wurde sie gen Himmel geschickt. Im Inneren befindet sich ein Damenhaar, dessen Zellen sich bei zunehmender Luftfeuchtigkeit ausdehnen. Ein Zeiger rutscht dann an der entsprechenden Stelle über eine kleine Trommel, die wie die einer Spieluhr blanke und erhobene Stellen hat. Es entsteht ein Morse-Code, den die Meteorologen am Boden abhören und so die Luftfeuchtigkeit in der Höhe des Ballons erfahren können.
Raimund Schultz ist Diplom-Verwaltungsbetriebswirt. Seine Leidenschaft zur Wetterkunde entwickelte sich parallel zu einem anderen Hobby. Als junger Mann ist Schultz in Segelflugzeugen geflogen. „Als Flieger muss man sich fürs Wetter interessieren, man darf zum Beispiel nicht in Wolken reinfliegen“, erklärt er. Also bewarb Schultz sich beim Deutschen Wetterdienst (DWD), wo er bis zum Amtsrat in den gehobenen Dienst aufstieg. Unter anderem war er neun Jahre lang Leiter der Regionalen Messnetzgruppe und verantwortlich für Hessen, Rheinland-Pfalz sowie das Saarland. 43 Jahre arbeitete er für den DWD bis er 2004 in Pension ging. Doch schon vor seinem Ruhestand packte ihn die Sammelleidenschaft. „Aus dem Beruf ist ein Hobby geworden“, sagt Schultz.
Viele Kollegen hätten Exponate auf den Dachböden der Wetterstationen gefunden und ihm geschenkt, berichtet er. Heute verfügt der Pensionär über einen Fundus von rund 20 Messapparaten aus 80 Jahren Wetterkunde, die er allesamt in seinem Keller in Urberach sammelt. Immer wieder feilt er an den Gerätschaften und säubert sie. „Es gibt immer was zu tun“, berichtet Schultz. Zu den Geräten zählt auch der Sonnenscheinautograph, den Schultz liebevoll „die Zauberkugel“ nennt und, in der Tat – die handgroße Glaskugel erinnert an das Arbeitsutensil einer Wahrsagerin. Doch der Autograph hat nichts mit Hokuspokus zu tun. Die Kugel wirkt als Brennglas, sobald die Sonne scheint und hinterlässt einen verkohlten Strich auf einem befestigten Pappstreifen, so dass sich die Sonnenscheindauer eines Tages bestimmen lässt.
Trotz Rente ist Raimund Schultz noch aktiv: Er sammelt nicht nur Messapparate sondern auch Schiffsmodelle, ist Mitbegründer des Jazzclubs Rödermark/Rodgau und führt Interessierte durch den Offenbacher Wetterpark und über die Wasserkuppe.
Wer sich selbst einen Eindruck über das kleine Wettermuseum von Raimund Schultz verschaffen möchte, kann dieses Wochenende parallel zum Nikolausmarkt die Ausstellungsstücke im Töpfermuseum, Bachgasse 26, in Urberach besichtigen, zu denen der Ausstellungsleiter allerhand zu erzählen weiß.
Die Ausstellung ist Samstag, 4. Dezember, von 16 bis 18.30 Uhr geöffnet, Sonntag, 5. Dezember, von 15 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.