„NSU 2.0“: Rätsel um das erste Drohfax

Im Verfahren um die Morddrohungen vom „NSU 2.0“ sagt ein IT-Spezialist vom Landeskriminalamt als Zeuge aus. Die Nebenklage vermutet weiter, dass ein Polizist in die Drohserie verwickelt ist.
Im Prozess um die rassistischen Morddrohungen vom „NSU 2.0“ steht weiterhin die These im Raum, dass ein Frankfurter Polizist in die Serie verstrickt sein könnte. Am Donnerstag sagte vor dem Landgericht Frankfurt ein IT-Spezialist des hessischen Landeskriminalamts (LKA) aus, der an den Ermittlungen beteiligt war. Der Polizist bestätigte, das erste Drohfax, mit der die Serie im August 2018 begonnen hatte, sei im Gegensatz zu allen späteren mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Handy oder Tablet-Computer aus abgeschickt worden.
In dem Verfahren geht es um neonazistische Drohschreiben, die bis Mai vorigen Jahres bundesweit an Medienschaffende und Prominente gegangen waren. Begonnen hatte die Reihe mit einem Fax an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, das, wie auch spätere mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Schreiben, intime Daten enthielt. Später stellte sich heraus, dass die Daten der Juristin an einem Polizeicomputer in Frankfurt abgerufen worden waren.
Die Nebenklage möchte wissen, ob ein Polizist mit dem „NSU 2.0“ zu tun hatte
Die Anklage hält den arbeitslosen Angeklagten Alexander M. für den Täter. Sie vermutet, dass der 54-Jährige Daten der Bedrohten erhalten hat, indem er sich am Telefon als Polizist ausgegeben hatte.
Die Anwält:innen der Nebenklage glauben jedoch, dass der Polizist Johannes S. vom ersten Frankfurter Revier zumindest für das erste Drohfax verantwortlich sein könnte. Sie stützen sich etwa darauf, dass S. im Internet nach „Yildiz in Frankfurt“ gesucht hatte und sich gut mit Torbrowsern auskannte, mit denen Internetnutzer:innen ihre Identität verschleiern können.
Die Zeichnung eines Polizisten in der Uniform eines SS-Obersturmbannführers
Außerdem hatten S.’ Kollegen ihn in einer Karikatur in der Uniform eines SS-Obersturmbannführers gezeichnet – genauso hatte sich der Täter des „NSU 2.0“ genannt.
Der IT-Spezialist des Landeskriminalamts sagte aus, er halte es aufgrund seiner Ermittlungsergebnisse für sehr wahrscheinlich, dass das erste Drohfax, das über den Internetdienst „Alltofax“ verschickt worden war, von einem mobilen Endgerät abgeschickt worden sei. Der Absender habe dabei einen Torbrowser benutzt. Für die vielen Drohmails, die später über den russischen Anbieter „Yandex“ versandt worden seien, habe der Täter sich jedesmal über einen Browser eingeloggt.
Wichtige Zeugenbefragungen stehen im Prozess um den „NSU 2.0“ an
Der Zeuge bestätigte auch, dass eine Sicherungskopie eines Tablets von Johannes S. gefunden worden sei, in der man sehen könne, dass auf dem Gerät Torbrowser installiert gewesen seien. Nur anhand dieses Backups könne man aber nicht sagen, ob die entsprechenden App-Versionen zu dem ersten Drohfax passten. Im Zuge der Ermittlungen habe das LKA auch zu allen in den Drohschreiben enthaltenen privaten Daten der Bedrohten recherchiert, berichtete der Zeuge. Frei verfügbar im Internet seien aber nur Informationen über den ebenfalls betroffenen Satiriker Jan Böhmermann gewesen.
Ende der nächsten Woche stehen zwei besonders relevante Verhandlungstage an: Dann soll Johannes S. als Zeuge befragt werden – und seine Kollegin vom ersten Revier, unter deren Kennung die Daten von Seda Basay-Yildiz abgerufen worden waren.
(Hanning Voigts)