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Notfallversorgung in Gefahr?
Kliniken waren 2022 im Ernstfall häufig geschlossen
Hofheim / Bad Soden - Ist die Notfallversorgung der Bevölkerung im Main-Taunus gefährdet? Das mutmaßt zumindest die Linke im Kreistag und hat eine entsprechende Anfrage an den Kreisausschuss gestellt. Quelle der Sorge ist die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Hessischen Landtag.
Der zufolge „sind die Main-Taunus-Kliniken zunehmend von der Notfallversorgung abgemeldet“, schreibt das Linken-Kreistagsmitglied Thomas Völker. „Insbesondere das Krankenhaus Hofheim hat erschreckende Werte“, verweist er auf die Statistik. Diese belege, dass die Klinik an der Lindenstraße vom 1. Januar bis 30. September vergangenen Jahres „78 Prozent der Zeit nicht für Notfälle erreichbar“ gewesen sei. „Das entspricht fünfeinhalb Tagen von einer Sieben-Tage-Woche“, rechnet Völker vor.
Das Krankenhaus in Bad Soden, wie Hofheim Teil des Klinikverbunds „Varisano Frankfurt Main-Taunus“ sei im selben Zeitraum „nur“ 57 Prozent der Zeit für die Anfahrt von Rettungsfahrzeugen gesperrt gewesen. „Beides spricht für eine zunehmende Überforderung unseres Gesundheitssystems, beides wirft aber auch die Frage auf: Wie konnte es so weit kommen?“, fragt der Linke und weist darauf hin, dass das Krankenhaus Hofheim 2022 „den drittschlechtesten Wert aller Notfallkliniken in Hessen“ erzielt habe.
„Erhebliche und kurzfristige Personalausfälle“
Auf Anfrage dieser Zeitung erläutert Kliniken-Sprecherin Claudia Planz, eine Abmeldung der Kliniken oder einzelner ihrer Bereiche aus dem System des Interdisziplinären Versorgungsnachweises, kurz IVENA, das Leitstellen ermöglicht, schnell zu entscheiden, wohin Notfall-Patienten am besten gebracht werden, beziehe sich „ausschließlich auf die Einlieferung mittels Rettungswagen“. „Kein Patient, der unmittelbar selbst als Notfall in die Kliniken kommt, wird oder wurde abgewiesen.“
Das Hofheimer Krankenhaus bietet mit seiner Pneumologie Spezialisten für Atemwegserkrankungen und war und ist daher besonders gefragt, wenn es um Patienten mit entsprechenden Symptomen geht. Das erklärt das pandemiebedingt erhöhte Patientenaufkommen hier, das laut Planz nach wie vor anhält. „Daraus resultierten im letzten Jahr - parallel erschwert auch durch die frühe Grippewelle im Herbst - erhebliche und kurzfristige Personalausfälle“. Die Folge: Einzelne Stationen hätten „ihre gewohnte Aufnahmekapazität“ mangels Ärzten und Pflegekräften nicht aufrechterhalten können.
Wegen der vorgegebenen Freihaltung von Intensivbetten für Corona-Patienten sei es in Hofheim zudem zu „Einschränkungen für die Behandlung schwerer internistischer Notfälle“ gekommen. Das hatte auch Chefarzt Thomas Müller berichtet. Krankenwagen müssen dann, gelenkt von den Rettungswachen, zum Beispiel mit Schlaganfallpatienten entsprechend andere Kliniken im Umkreis anfahren. Im Rhein-Main-Gebiet mit seiner hohen Krankenhausdichte längst nicht so ein Problem wie auf dem Land, doch kann das auch hier zu (deutlich) längeren Wegen führen, besonders, wenn in vielen Häusern gleichzeitig die Kapazitäten am Limit sind.
Für die Notfallversorgung im Krankenhaus Bad Soden gelte, so Planz, dass sich die Zentrale Notaufnahme „aufgrund eines hohen zeitgleichen Patientenaufkommens“ bei der Leitstelle abmelde, das aber nur so lange, bis die von ihr behandelten Patienten auf die Stationen oder in die Operationssäle verlegt werden könnten. Wer in einer solchen Situation nicht mit einem Rettungswagen, sondern „fußläufig“ in die Notaufnahme komme, werde gleichwohl hier behandelt und wenn nötig aufgenommen.
Planz verweist noch auf den „bekannten Fachkräftemangel in der Pflege“, dem die Kliniken mit einer Ausweitung „ihres Engagements bei der Ausbildung von Berufsnachwuchs in den eigenen Varisano-Akademien“ entgegenwirken wollten. Indirekt ist das ein Hinweis, dass genau hier das Problem liegt. Das hat sich verschärft, seit der Betreuungsschlüssel auf den Intensivstationen angehoben wurde.