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Niemals zu früh loslassen

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Von: Peter Hanack

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Solange er sich bewegen kann, will Willi Bendel Kraftsport betreiben.
Solange er sich bewegen kann, will Willi Bendel Kraftsport betreiben. © Andreas Arnold

Der Hanauer Willi Bendel stemmt seit 50 Jahren Gewichte. Zweimal war er in seiner Altersklasse Mister Universum. In Bendels Studio haben schon Bodybuilder-Größen wie Ronny Rockel und Ralf Moeller trainiert. Jetzt geht der 71-Jährige in Rente.

Im Bus müsste man ihm wohl einen Platz frei machen. Das gehört sich so, wenn ein Rentner einsteigt. Schließlich ist Wilhelm Bendel 71. In seinem Fall wäre es allerdings ratsam, gleich zwei Sitze zu räumen – Wilhelm, genannt Willi Bendel ist mit seinen 71 Jahren immer noch von raumfüllender Imposanz. Abgesehen davon würde er es wahrscheinlich ablehnen, sich zu setzen. Dafür ist er einfach viel zu fit.

Bendel war in seiner Altersklasse (über 60) in den Jahren 2002 und 2003 Mister Universum, sein Kreuz ist breit wie das eines Ochsen, seine Bizeps machten in ihrem Umfang manchem Männeroberschenkel Ehre, und an der Beinpresse drückt er immer noch seine gut sechs Zentner. Austrainiert wiegt er bei 1,73 Meter Körpergröße knapp 100 Kilogramm. Sein Schritt wirkt leicht. So viel zur physischen Verfassung.

„Bitte Schuhe abtreten“ steht am Eingang des Sportstudios, das Bendel gemeinsam mit seiner Frau Vera seit November 1979 im Hanauer Stadtteil Steinheim betrieben hat. Das Erdgeschoss eines schmucklosen 70er-Jahre-Wohnhochhauses verströmt den Charme der frühen Jahre. Hantelbänke, Kraftmaschinen, die Wände kahl, von der Decke Neonleuchten – die Jungs, die hier trainierten, betreiben Kraftsport, Bodybuilding. Wellness gibt es andernorts.

Den Besucher empfängt Bendel in blauem Trainingsoutfit. Seine Stimme ist sanft, der Händedruck nicht übertrieben fest, der joviale Tonfall mit hessischem Einschlag nimmt das Gegenüber für sich ein. Nichts klingt nach Kraftmeierei oder Brutalität. „Im Rollstuhl würde ich sitzen, wenn ich nicht Kraftsport machen würde“, sagt Bendel. In seiner Jugend war er Turner, nicht einer der schlechtesten. Bis er bei einem Gauturnfest nach einem Sprung über den Kasten so unglücklich auf dem Rücken landete, dass die Turnerkarriere ihr Ende fand. Leichter Nieselregen hatte das Leder auf dem Kasten rutschig gemacht, die Hände des Athleten fanden keinen Halt.

„Fühlen Sie mal“, sagt er und führt die Hände des Besuchers an die armdicken Muskelstränge, die links und rechts der Wirbelsäule verlaufen. „Das hält meinen Rücken grade“, sagt er.

Gegen Schwarzenegger angetreten

Seit 50 Jahren stemmt Bendel Gewichte, baut Muskeln auf, macht sich für Wettkämpfe fit. Noch immer trainiert er dreimal die Woche. Wie gelingt das, ohne seinen Körper zu ruinieren? „Nie zu viel stemmen, dosiert trainieren, konzentriert sein, dann geht das“, sagt er. Die Eisengewichte einmal unkontrolliert loslassen könne tödlich sein.

In seinem Studio haben schon Bodybuilder-Größen wie Ronny Rockel trainiert und Ralf Moeller, Freunde, wie er sagt. Arnold Schwarzenegger hat es nicht nach Steinheim geschafft, mit ihm hat Bendel in den 60er Jahren Wettkämpfe bestritten.

An der Wand hinter dem Tresen stehen die Pokale in langer Reihe nebeneinander, zeugen von Siegen und Triumphen. „Rund 80 sind es geworden“, erzählt Bendel. Fotos erinnern an diese Zeiten. „Der war immer ziemlich gewalttätig“, erinnert sich Bendel an den gebürtigen Österreicher Schwarzenegger. „Wie in seinen Filmen halt.“

Schwarzenegger machte eine riesige Karriere. Vom Sport leben, dass funktionierte für Bendel und seine Frau – ebenfalls sehr erfolgreiche Bodybuilderin und tschechische Ex-Landesmeisterin im Judo – allenfalls für ein paar Jahre.

Mit ihr gewann er 1981 die ersten Deutschen Meisterschaften im Paar-Posing. Sie war Deutschlands erste Profi-Bodybuilderin. Willi Bendel hat immer auch in verschiedenen Berufen gearbeitet, erst als Automateneinrichter, dann als Bankkaufmann, später an der Börse in Frankfurt, wo er Betriebsrat wurde.

Wettkämpfe bestreitet der Kraftsportler heute nicht mehr, und auch das Studio haben er und seine Frau aufgegeben. „Es ist gut, dass es zu Ende geht“, sagt er. Habe sich einfach nicht mehr gelohnt, die letzten Jahre. Zu viele „McFits“ und andere am Markt. Zum Jahresende ging der Unternehmer Bendel daher in Rente. Der Sportler nicht.

Die Einrichtung haben Willi und Vera Bendel verkauft, ein paar Straßen weiter eröffnet damit im Januar ein neues Studio im Stadtteil. Wer mit Willi Bendel trainieren will, wird ihn dort finden. „Ich mache Kraftsport, solange ich mich bewegen kann“, verspricht er. So wie er die Eisen niemals zu früh los gelassen hat, lassen sie ihn nun ebenfalls nicht los.

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