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Brandstiftung an linkem Kulturzentrum: Offenbar Ex-Mitglieder von Burschenschaft beteiligt

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Die Burschenschaft Germania befindet sich in unmittelbarer Nähe zum linken Kulturzentrum AK 44. © Kays Al-Khanak

Die Aufarbeitung der versuchten Brandstiftung auf dem Gelände des linken Kulturzentrums AK 44 geht weiter. Mitglieder der Burschenschaft Germania könnten beteiligt gewesen sein.

Gießen – Die Burschenschaft Germania hat die mutmaßliche versuchte Brandstiftung auf dem Gelände des linken Kultur- und Wohnprojekts AK 44 auf Anfrage dieser Zeitung verurteilt. »Sowohl der Altherrenverband als auch die Aktivitas der Gießener Burschenschaft Germania distanzieren sich auf das Schärfste von jeglicher Gewalt gegen Sachen oder gar Menschen«, schreibt Axel Oeljeschläger, Vorsitzender des Altherrenverbands der Germania. Der mutmaßlich Verantwortliche aus dem aktiven Bund ist laut Oeljeschläger seit dem gestrigen Mittwoch nicht mehr Mitglied.

Die Gießener Polizei hatte den Vorfall am AK 44 am Montag in einer Pressemitteilung öffentlich gemacht. Demnach seien zwei Männer auf das Gelände am Alten Wetzlarer Weg gelangt und hätten dort über den Reifen eines Kleinbusses eine Flüssigkeit verschüttet. Im Zuge der Ermittlungen war ein 22 Jahre alter Tatverdächtiger festgenommen und später wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Gießen: AK 44 macht Burschenschaft für Vorfall verantwortlich

Das AK 44 schrieb am Dienstag in einer Stellungnahme von drei betroffenen Fahrzeugen und beschrieb, dass die Flüssigkeit nach Brandbeschleuniger gerochen habe. Einer der Männer sei von Bewohnern fotografiert worden. Auf den Bildern habe er ein dreifarbiges Band getragen. Das AK 44 macht die Germania für den Vorfall verantwortlich. Diese sei »in einem Spannungsfeld zwischen Konservatismus und extremer Rechter zu verorten« und empfinde das Ausleben der alternativen Lebensentwürfe in der unmittelbaren Nachbarschaft als »Provokation«.

Die Burschenschaft hat auf Anfrage dieser Zeitung am frühen Mittwochmorgen Stellung zu den Vorwürfen genommen. Oeljeschläger schreibt, »dass tatsächlich ein - mittlerweile ehemaliges - Mitglied unseres aktiven Bundes an dem Vorfall auf dem Gelände des AK 44 beteiligt gewesen sein könnte. Die fragliche Person ist seit dem heutigen Tage nicht mehr Mitglied unseres Bundes.« Weiter betont er, dass ein Prinzip der burschenschaftlichen Idee »das freie Wort für jedermann« sei, »auch und gerade in der Diskussion mit politisch Andersdenkenden«. In dem Bund gebe es keinen Platz für Gewalt und Gewalttäter, schreibt Oeljeschläger.

Politologin aus Gießen: Vorfall am AK 44 beunruhigend

Alexandra Kurth ist Politologin an der Justus-Liebig-Universität Gießen und beschäftigt sich seit Jahren mit Rechtsextremismus und Burschenschaften. Sie sagt, der Vorfall am AK 44 sei beunruhigend, sollte er sich so zugetragen haben. »Weil wir dann in Gießen eine Tendenz hätten, die auch in anderen Städten zu beobachten ist: Dass es zunehmend zu Radikalisierungsprozessen innerhalb der Burschenschaften kommt.«

Die Gießener Burschenschaft Germania mit ihrem Wahlspruch »Gott, Freiheit, Ehre, Vaterland. Leben und Streben dem Vaterlande.« wird aktuell nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. 2010 ist sie aus dem als extrem rechts geltenden Dachverband Deutsche Burschenschaft ausgetreten und ist stattdessen Gründungsmitglied der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (ADB). Für öffentliche Aufmerksamkeit in Gießen hatten im vergangenen Jahr die von Demonstrationen begleiteten Auftritte des umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen und des nationalkonservativen Publizisten Roland Tichy bei der Germania gesorgt.

Burschenschaft Germania: Spagat zwischen konservativ und offener Flanke

Für Kurth ist diese Referenten-Auswahl sinnbildlich für die Germania und den Dachverband ADB allgemein: »Es handelt sich um ein politisches Projekt für Menschen, die sich nicht arrangieren können mit dem weltoffenen Teil der CDU«, also dem Teil, den beispielsweise die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel verkörpert hat.

Die Germania Gießen versuche den Spagat, konservativ zu erscheinen, jedoch den Spielraum nach Rechts zu erweitern. Eine Verherrlichung der NS-Zeit finde dabei nicht statt. Aber die Flanke in Richtung rechtsextremistischer Positionen sei offen. Es verwundere nicht, sagt Kurth, dass Mitglieder der AfD oder ihrer mittlerweile vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Jugendorganisation Junge Alternative im Dachverband ADB aktiv seien. (Kays Al-Khanak)

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