Metaphysische Märchen
Zum Artikel über religionsübergreifende Seelsorge, FR vom 7. April
Warum muss Seelsorge eigentlich mit Religionen verknüpft werden? Haben Atheisten oder Agnostiker keine Seele, um die man sich sorgen darf?
Jeder menschliche Zuspruch ist doch eine Form der Seelsorge, dafür bedarf es meines Erachtens keines religiösen Backgrounds. Oder haben Religionen etwa ein alleiniges Urheberrecht auf Humanität, Menschlichkeit und Mitgefühl?
Unsere offiziell säkulare Gesellschaft wird mehr und mehr von Religionsinteressen, die in meinen Augen meist Wirtschaftsinteressen sind, beeinflusst und unterwandert.
Glaube mag ja für viele Menschen tröstlich sein, aber für ein vernunftgesteuertes, aufgeklärtes Wesen, ist es auch eine Zumutung immer und überall mit mittelalterlichen bis antiken Welterklärungsversuchen, das sind nämlich Religionen, konfrontiert zu werden.
Jegliche Religionskritik wird in diesem, unserem Lande gleich einer Beleidigung von Gläubigen angesehen.
Aber für mich ist die zunehmend öffentlich zelebrierte und nach politischer Einflussnahme heischende Hingabe an eine Religion auch eine Beleidigung des aufgeklärten Menschenverstandes.
Mit philosophischen Betrachtungen über unser Erdendasein bin ich durchaus einverstanden, aber bitte nicht diese metaphysischen Märchenerzählungen aus grauer Vorzeit.
Eine kritische Distanz zu Religionen, die angebracht wäre, findet in unseren Medien leider kaum noch statt, auch nicht in der FR. Also, zurück ins Mittelalter?
Reinhold Müller, Frankfurt
Der geplante Umzug des Suhrkamp Verlags nach Berlin erscheint bei näherem Hinsehen als Flucht. Verlegerin Ulla Berkèwicz, die zugestandenermaßen nicht unerfahren ist in Dramaturgie, versucht aus der Not eine Tugend zu machen.
Die für Kulturverlage schwierige Marktsituation zwingt einerseits zu einschneidenden Kostenreduktionen in den Bereichen Personal und Produktion und andererseits zu beträchtlichen Investitionen in Marketing und Produktpflege. Suhrkamp ist wie andere Verlage dieses Segments mit hohen Rabattforderungen der Buchhandelsfilialisten und Grossisten konfrontiert, außerdem mit hohen Remittendenquoten bei Neuerscheinungen, rückläufigen Absätzen und Umsätzen.
Diese Trends sind unter anderem eine Folge der Strukturprobleme bei mittelgroßen Buchhandlungen, die sich eine umfangreiche Lagerhaltung kaum noch erlauben können.
Wenn man in Frankfurt hätte bleiben wollen, wären nach Schätzungen von Marktkennern 50 bis 80 Arbeitsplätze abzubauen gewesen, zusätzlich hätte man Teile der Liegenschaften veräußern müssen, um die Liquidität zu erhöhen.
Der Umzug trägt diesen Notwendigkeiten Rechnung, nur er etikettiert sie anders. Zudem eröffnet der medienwirksam in Szene gesetzte Ortswechsel nach Berlin Möglichkeiten, sich auf Kosten der Steuerzahler eine verbesserte Marktposition zu verschaffen. Doch das sprichwörtliche dicke Ende wird kommen: Ein in Berlin lektoriertes Buch verkauft sich nicht besser als eines, das in Frankfurt oder in Krähenwinkel konzipiert wird. K. P. Mertens, Frankfurt