Mehr als nur Regale voller Bücher
Stadtbücherei erhält Hessischen Bibliothekspreis für innovatives Konzept
BAD HOMBURG - Als Cicero von seinem Freund Atticus neue Bücherregale bekommen und der römische Grammatiker Tyrannio die Lektüren des römischen Staatsmanns sogar neu geordnet hatte, freute sich Cicero so sehr, dass von ihm der Satz überliefert ist: „Seitdem Tyrannio meine Bücher in Ordnung gebracht hat, scheint mein Haus die Seele bekommen zu haben.“
Und ebenso ließe sich von den heutigen öffentlichen Bibliotheken sagen, dass sie die Orte beseelen, an denen sie stehen, als Mekka für Menschen, die Bücher lieben und bei passendem Wetter gern verweilen, um zu lesen oder mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Sie sind kein Sammelsurium von totem Text, sondern entwickeln ihr eigenes Leben.
Die Stadtbibliothek ist das beste Beispiel dafür - und dafür erhält sie mit ihrer Zweigstelle im Oberhof nun abermals den Hessischen Bibliothekspreis, und zwar weil sie „ein innovatives Bibliothekskonzept gestaltet hat und damit auf unterschiedlichen Ebenen Nachhaltigkeitsimpulse setzt“, wie die Initiatoren betonen. Der Oberhof ist ein ehemaliges Hofgut, das zu einem Mehrgenerationen-Projekt umgewandelt wurde und die dort eingerichtete Bibliothek wird als „Open Library“ betrieben.
Das aus Skandinavien stammende Bibliothekskonzept ermöglicht Nutzern durch den Einsatz moderner Bibliothekstechnologie zu bestimmten Uhrzeiten, sich Bücher auszuleihen, auch wenn kein Personal zugegen ist. „Klappt super“, so der Leiter der Bibliothek, Klaus Strohmenger; nicht ein einziges Mal habe man sich die Kameramitschnitte ansehen müssen, weil ein Buch vermisst worden wäre. „Wir sind nicht mehr nur der ,Büchertempel’", sagt Strohmenger. „Wir begegnen auch dem Bedürfnis der Menschen, sich zu treffen.“
Die Jury des Preises sieht das ähnlich. „Auch im Oberhof haben die Open Library-Technik - gepaart mit einem attraktiven Bestand, einladender Möblierung und einem breitgefächerten Veranstaltungsprogramm - die Nutzerinnen und Nutzer überzeugt“, so das Verdikt. Entstanden sei „ein lebendiger Ort, an dem sich Alt und Jung, Alteingesessene und Neubürger, Familien und Singles aufgehoben fühlen, Nachbarn sich treffen und vieles möglich ist“, heißt es.
Die Besucherzahlen 2022 spiegeln das Interesse. Zwar erreichten sie nicht die Werte von vor Corona - 2018 und 2019 liefen jeweils mehr als 167000 Menschen durch die Lichtschranke -, aber nach der Pandemie-Delle 2020 (100915 Besucher) und 2021 (44827) kletterte der Wert 2022 zumindest wieder auf 121467. Der Hessische Bibliothekspreis wird seit 1998 von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen gemeinsam mit dem Landesverband Hessen im dbv für innovative Bibliotheksarbeit in öffentlichen Bibliotheken verliehen. Er ist mit 10000 Euro dotiert. Auch im Rathaus freut man sich über die Auszeichnung. „Die Stadtbibliothek ist die einzige Einrichtung, die den Hessischen Bibliothekspreis zum zweiten Mal verliehen bekommen hat. Daher bin ich sehr stolz auf das Team“, sagt Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU). „Die räumliche Nähe zu den anderen Akteuren, die Diakonie, das JUZ, das Stadtteil- und Familienzentrum und das Café, ermöglicht es, attraktive Angebote für den gesamten Stadtteil anzubieten“, ergänzt Strohmenger.