„Mehr Abschiebungen sind keine Lösung“
Runder Tisch kritisiert Brief von Landrat und Bürgermeistern an Land und Bund
Main-Taunus - In einem Offenen Brief, den sie am 25. Januar an Bundeskanzler Olaf Scholz und den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein verfassten, hatten Landrat Michael Cyriax sowie die Bürgermeister des Main-Taunus-Kreis auf die Überlastung der Kommunen angesichts der weiteren Aufnahme von Geflüchteten aufmerksam gemacht. Unter Verweis auf Mangel an Wohnraum, an Infrastruktur und an Personal in Kitas und Schulen forderten sie eine Begrenzung des Flüchtlingszuzugs, vermehrte Abschiebungen und eine Änderung des Verteilungsschlüssels. Der Runde Tisch „Viele Kulturen - eine Zukunft“, dem verschiedene Einrichtungen angehören, distanziert sich nun ausdrücklich von der Darlegung und dem Appell, die in dem Offenen Brief angeführt werden.
Tatsächlich würden weiterhin Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland fliehen, heißt es in einer Pressemitteilung des „Runden Tisch“, zu dem unter anderem das Katholische Bezirksbüro Main-Taunus, das Evangelische Dekanat Kronberg, der DGB-Kreisverband Main-Taunus und Vertreter der freien Flüchtlingshilfe angehören. Die mit 80 Prozent größte Gruppe sei 2022 aus der Ukraine gekommen. Diese erhalte aufgrund einer europaweiten Regelung Schutz. Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern durchlaufen dagegen ein Asylverfahren.
Die Gesamtschutzquote, der Anteil der Asylanerkennungen, Gewährungen von Flüchtlingsschutz und Feststellungen des Abschiebeverbotes, sei hoch, bei den Hauptherkunftsländern Syrien und Afghanistan lag sie 2022 bei 90,3 und 83,5 Prozent. „Aufnahme und Integration dieser Menschen sind eine große gesellschaftliche Aufgabe. Die Forderung, Abschiebungen zu verstärken, ist für den Runden Tisch deshalb „keine Lösung“: Häufig würden beispielsweise familiäre oder medizinische Gründe die Durchführung verhindern.
„Auch wenn alle Abschiebehindernisse abgebaut und alle abgelehnten Asylbewerber und Asylbewerberinnen in ihre Herkunftsländer zurückgeführt würden, würde dies die Gesamtzahl der 2022 nach Deutschland eingereisten Geflüchteten um nicht einmal sieben Prozent reduzieren“, rechnet die Initiative vor. Das gezeichnete Bild von hier unrechtmäßig lebenden Menschen, die die Integration Schutzberechtigter hemmen, werde der komplexen Sachlage nicht gerecht. Vielmehr stärke es Vorbehalte, wo es gesellschaftlichen Zusammenhalts bedarf. Denn der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, an Fachkräften und an Infrastruktur seien gesamtgesellschaftliche Aufgaben, „die uns alle betreffen und die wir nur gemeinschaftlich lösen können“.
Die Teilnehmer des Runden Tisches kritisieren, dass der soziale Wohnungsbau viel zu lang vernachlässigt worden sei. In den MTK-Kommunen seien im vergangenen Jahr über 150 Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen, nur 19 neue entstanden beim Bau von 710 neuen Häusern und Wohnungen insgesamt. Trotz knappem Wohnraum und hoher Mieten stünden im Main-Taunus-Kreis Wohnungen und Immobilien leer.
Für eine Entlastung der Ehrenamtlichen, wie im Offenen Brief angemerkt, gelte es vielmehr, Bürokratie zu verschlanken und Teilhabe zu fördern. „Menschen flüchten, weil sie keine Wahl haben“, schreibt der „Runde Tisch“. red