Von Schecken und Krüpern

Der Kleintierzuchtverein Marxheim feiert seinen 100. Geburtstag. Nicht nur ist die Kleintierzucht ein zeitaufwendiges Hobby, den Züchtern liegt auch viel daran, alte und seltene Tierarten zu erhalten.
Nur wenige hundert Gramm ist das schwarz-weiße Kaninchen schwer. Erst vor einem Tag hat es die Augen geöffnet. Zögerlich schnuppert es an der Hand von Berthold Wilhelm. „Das ist ein englischer Schecken“, erklärt der 57-Jährige. Und zwar ein besonders prächtiger. Über dem Rücken des kleinen Kerls verläuft ein gerader, schwarzer Strich, die Seiten sind gesprenkelt, um die Augen hat er einen schwarzen Ring, und Ohren und Nasenpartie sind ebenfalls tiefschwarz.
Kaum will Wilhelm ihn packen, kommt die Kaninchenmutter angesprungen, und der Kleine flüchtet quietschend zurück ins Nest. Für eine Schau ist er ohnehin noch zu jung. Bertold Wilhelm macht die Käfigtür wieder zu. Doch schon bald wird der Stellvertretende Vorsitzende des Kleintierzuchtvereins Marxheim anfangen, den Schecken regelmäßig zu wiegen, zu bürsten und auf die Beurteilung einer Jury vorzubereiten.
Seitdem er zehn Jahre alt ist, züchtet der technische Angestellte Kaninchen und Tauben im Marxheimer Kleintierzuchtverein (KZV). Damit gehört er zu den treuesten Mitgliedern, die in diesem Jahr den 100.Geburtstag ihres Vereins feiern.
„Kleintierzucht ist ein Hobby auf hohem Niveau“, sagt der Vorsitzende des KZV Horst Beckmann (72). Es erfordere ein breites Wissen über Biologie und Vererbungslehre, aber auch Intuition. Vor allem aber sei es ein zeitaufwendiges Hobby, denn die Tiere wollen jeden Tag verpflegt werden. Für Horst Beckmann hat die Zucht von Kleintieren aber eine noch viel höhere Bedeutung als der reine Zeitvertreib. „Sie könnte in Zukunft für die Gesellschaft von größter Wichtigkeit sein“, sagt der pensionierte Neurobiologe. Denn die internationale Kleintierzucht verwalte einen umfangreichen Genpool, der noch von Nutzen sein könne. Zum Beispiel, wenn der Klimawandel weiter fortschreite und die jetzigen Nutztiere nicht mehr an die Umgebung angepasst wären oder Epidemien um sich greifen. „Es könnte irgendwann sein, dass wir auf die Erbanlagen angewiesen sind, die die Kleintierzüchter bewahren“, sagt Beckmann.
Außerdem liege den Kleintierzüchtern viel daran, alte und seltene Tierarten zu erhalten. So züchtet Beckmann die Hühnerrasse schwarze Krüper. Sie stehen auf der Liste der gefährdeten Nutztierarten, die die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) veröffentlicht. Die Tiere wüssten schon am Klang der zuschlagenden Autotür, dass er gleich das Gehege betreten werde, erzählt er. Dann gackerten die Krüper wild darauf los.
Auf einen großen Festumzug mit Musik und Tanz wie zum 75. Jubiläum wollen die Kleintierzüchter dieses Jahr verzichten. Gefeiert haben die Mitglieder nur intern, aber eine Festschrift haben sie erstellt.