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Zeigen, wie bunt Kunst sein kann

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Rolf Anthes (rechts) stellt im Rathaus auch Kunst von Klaus Gorsler und Marlies Pufahl aus.
Rolf Anthes (rechts) stellt im Rathaus auch Kunst von Klaus Gorsler und Marlies Pufahl aus. weiner © Weiner

Sammler Rolf Anthes stellt Werke aus 150 Jahren im Rathaus aus

Liederbach - Klaus Gorsler aus Frankfurt hat für die „Documenta“ in Kassel 1977 genau 100 „kulturpolitische Ruhekissen“ geschaffen. Ganz normale Stoff-Vierecke mit einem Aufdruck und auf der Rückseite den Worten: „Kissen für Kunstärsche“. Denn er habe damit die meist abwertende Rolle der Politik gegenüber der Kunst deutlich machen wollen. Kreative Ergebnisse seien nur als „schön, nie als wichtig“ angesehen worden, findet Gorsler. Für damals 50 D-Mark hat er die Kissen verkauft. Über einen Freund ist ein Exemplar beim Liederbacher Rolf Anthes gelandet.

Da schließt sich der Kreis: Anthes präsentiert aktuell die Ausstellung „150 Jahre Kunst“ im Rathaus (Text rechts). Mehr als 150 Werke von rund 80 Künstlern aus 150 Jahren sind zu sehen. 15 Kreative leben noch. Jene vom „Schwarzwald bis Kassel“ habe er eingeladen - und zwei von ihnen sind zur Eröffnung gekommen. Einer ist Gorsler, der aktuell seine Zeichnungen im Frankfurter Gallus-Theater zeigt und von Anthes’ Sammlung beeindruckt ist: „Er hat ja weltberühmte Leute.“ Und nennt als Beispiel Bernard Schultze, Mitglied der Gruppe „Quadrat“ und „Documenta“-Teilnehmer.

Es sei ihr eine Ehre, neben solchen „Berühmtheiten“ vertreten zu sein, formuliert es auch die Liederbacher Künstlerin Marlies Pufahl. Anthes war ganz begeistert von ihrem kauernden Mädchen in Keramik - so habe er ihr erfolgreich ein Tauschgeschäft gegen seine Kunst vorgeschlagen, erzählt er. Bei Gorsler schätzt Anthes, dass er sich auflehne: „Er ist gegen den Strom geschwommen, hat gegen den Wind gespuckt.“

DIE ÖFFNUNGSZEITEN

Die Ausstellung „150 Jahre Kunst - Werke einer Sammlung“ von Kunstkenner Rolf Anthes ist noch bis einschließlich Sonntag, 18. Juni, im Liederbacher Rathaus am Villebon-Platz zu sehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ist während der Rathauszeiten montags, dienstags und freitags von 8 bis 12 Uhr sowie mittwochs von 9 bis 12 und 15 bis 19 Uhr. Anthes zeigt nicht nur Bilder aller Art, sondern auch plastische Kunst. wein

Was über den Liederbacher selbst auch gesagt werden könnte. Er sammele „mit den Augen, nicht mit den Ohren“, zitiert ihn Bürgermeisterin Eva Söllner. Und weiter: „Unvoreingenommenheit“ sei wichtig. Es gebe Künstler, Kunstkenner und Kunstsammler, so die Rathauschefin. „Das alles ist Rolf Anthes.“ Nun solle sich jeder sein Bild machen, so Söllner, denn: „Kunst ist Kunst, alles andere ist etwas anderes.“

So war Anthes auch vor einem halben Jahrhundert an die Sache herangegangen. Er habe schlicht etwas für die Wände zu Hause mit seiner Frau Sigrid gesucht. Und sei dann vor allem auf Märkten fündig geworden. Es sollte für ihn auf jeden Fall Kunst und erschwinglich sein, so Anthes, der im Laufe der Jahre ein „Gespür“ entwickelt hat. So hängen im Erdgeschoss des Rathauses Vertreter der bekannten Kronberger Malschule. Darunter eine Ansicht der alten Frankfurter Mainbrücke kurz vor deren Abriss. Maler Fritz Wucherer habe die Stimmung genauso trist gemalt, wie sie eben an diesem Tag war, erklärt Anthes. Zu erahnen sind Schönheiten in den Akten von Ilse Schledorn-Franz. Rund 1000 habe sie geschaffen, weiß Anthes - alle den SOS-Kinderdörfern vermacht. Offen und ehrlich räumt der Sammler an einem anderen Motiv ein: Es könnte eine Fälschung sein.

Zu seinem 80. Geburtstag, den er 2023 feierte, hat sich der in Nied und Höchst aufgewachsene Anthes eine Kunstschau gewünscht. „Dass die Leute sehen, wie vielfältig Kunst sein kann.“ Die Mischung könnte in der Tat kaum bunter sein: Da hängt das Pferd aus Kunststoff von der Decke, gleich daneben wurde Technik-Schrott zur Installation verarbeitet. Dieter Roth, der ein Schimmelmuseum betreibt, hat geschmolzene Schokolade verewigt. Von Bea Remsbach stammt ein Bild mit kleinen Blasen aus Knetmasse, Julius Seyler malte Weltrekordler im Eisschnelllauf, 300 seiner Werke wurden im Krieg vernichtet. wein

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