„Helfen macht reich“

Kalle Hahn organisiert besonderen Generator-Transport in die Ukraine
Liederbach - Kalle Hahn wohnt schon einige Jahre in der Gemeinde. Aktiv ist er dort in Vereinen oder der Politik noch nicht in Erscheinung getreten, auch wenn er Mitglied der Grünen ist. Doch nun hat er eine Aktion initiiert, mit der er nicht nur die Liederbacher zum Nachahmen aufruft. „Vielleicht motiviert das Andere ja“, sagt Hahn nach einem besonderen Hilfstransport in die Ukraine, der für ihn längst nicht der Letzte gewesen sein muss.
Unter dem Titel „Notstrom für die Ukraine“ hat er seine Erlebnisse in einem Reisebericht zusammengefasst. Wie es zu diesem hilfreichen Abenteuer kam? Sein Freund Chris Orlamünder kommt aus Regensburg. Dort gibt es Ende 2018 die Hilfsorganisation „Sea-Eye“, die Geflüchtete im Mittelmeer rettet. Durch die Ukraine-Krieg rückte eine neue Hilfe in den Mittelpunkt. So wurden bei der Evakuierung in der Stadt Odessa 3000 Menschen in und um Regensburg aufgenommen.
50 Generatoren, 130 Kleidungs-Säcke
Das Duo handelte spontan, fuhr bereits im Frühjahr 2022 Schlafsäcke, Hygieneartikel und Lebensmittel an die polnisch-ukrainische Grenze. Und spätestes seitdem weiß der Liederbacher: „Es aktiviert einen mehr, wenn man persönlich hilft.“ Im Dezember reifte die Idee, sich der „Space-Eye“-Aktion „Notstrom für die Ukraine“ anzuschließen, einen Transport von Generatoren zusammenzustellen und zu fahren. Das Duo sammelte Spenden, Generatoren, Transporter und konnte Mitfahrer begeistern. Ziel war die Stadt Uzhhorod in Transkarpatien, Westukraine, direkt an der slowakischen Grenze.
Die Fahrer aus Regensburg, Passau, Schwäbisch-Gmünd und Liederbach statteten alle Generatoren mit einem „Beipackzettel“ (einer freundlichen Botschaft) und einem QR-Code (für Feedback) aus. Mit drei Transportern, die neben den Generatoren noch bis zur Beladungsgrenze mit Kleiderkisten aus dem Lager von „Space-Eye“ gefüllt waren, ging es los. Akribisch listet Hahn auf: 50 Generatoren, 40 Kabeltrommeln, 20 Verlängerungskabel, 112 Mehrfachstecker, 41 Kisten mit Kinderkleidung, 51 mit Frauen-, 38 mit Männerkleidung, 20 Säcke mit Decken.
Hilfe kam von Vitali, evangelischer Diakon und Direktor eines Hilfswerks in Odessa, der aktuell die Arbeit in Uzhhorod koordiniert. Ein Teil der Generatoren ging per Post weiter nach Odessa. In Uzhhorod erfuhren die ehrenamtlichen Helfer, dass in der Stadt mit 130 000 Einwohnern aktuell über 100 000 Flüchtlinge leben. In der größten Schule der Region wurde deutlich, warum die Stromgeräte dringend notwendig sind: Der Keller wird dort als Luftschutzbunker genutzt. Die Kinder versuchen, bei Luftalarm - der oft mehrmals täglich ist - weiterzulernen. Dank der technischen Hilfe geht das nun reibungsloser. „Die Atmosphäre im Keller war bedrückend - 600 Quadratmeter für 1300 Kinder, das ist nicht schön“, berichtet Hahn.
Auch weitere Schulen und Kindergärten in der Stadt versorgte der kleine Tross. Und erlebte die Stadt in Verdunklung mit: „Zum Schutz vor Luftangriffen ist die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet, nur Ampeln und Autos machen Licht, aus einigen Fenstern der Häuser leuchtet es - solange kein Stromausfall kommt“, berichtet der Liederbacher und führt aus: „Vor vielen Geschäften stehen auch Generatoren - es ist deutlich, dass Stromausfall keine Möglichkeit ist, sondern eine alltägliche Realität.“ Die Heimfahrt verzögerte sich an der Grenze zwar wieder um fast fünf Stunden - doch das war für die Helfer aufgrund ihrer Erlebnisse leicht verschmerzbar. Sie wurden belohnt mit einem Regenbogen über den Karpaten. „Gibt es ein schöneres Zeichen in dieser Situation?“, fragt sich Hahn und denkt im Rückblick an die Menschen. „Sie sind weiter dort. Sie bleiben herausgefordert, diese schwierige Situation zu meistern - was sie bisher in beeindruckender Weise getan haben.“ Für ihn bleibe die „Begegnung mit tollen, sehr freundlichen Menschen; und die Erkenntnis, dass Helfen reich macht - reich an Erleben und an Freundschaft.“ Auch 2023 brauche es „viele solche Transporte, viel Solidarität, viel Mitmenschlichkeit“, wünscht sich Hahn, der die nächste Tour in wenigen Tagen von „Space-Eye“ schon ankündigt und sicher auch wieder einmal dabei sein möchte. Infos: www.space-eye.org . wein/red