Wohnung für Pflege nicht geeignet

Sohn nach einem schweren Unfall ein Pflegefall / Familie benötigt dringend Hilfe
Kelkheim - Ich bin da“, sagt Said Al Hassan mit sanfter, gut verständlicher Stimme. Er gibt seinem Sohn Abdallah im Pflegebett einen Kuss auf die Stirn. „Abudi“ nennt er den 21-Jährigen. Der junge Mann reagiert auf diese Worte - es ist an seinen Bewegungen der Augen gut zu sehen. Mit einigen Fingern packt er zu. Said massiert ihn kurz am Kopf, gibt ihm zu verstehen: „Jetzt musst du schlafen.“
Abdallah Al Hassan aus Kelkheim ist mit einem Schädel-Hirn-Trauma seit drei Jahren ein Pflegefall. Lebensfroh sei er gewesen, „immer gut drauf, immer mit einer positiven Ausstrahlung“, sagt sein Freund Deniz Aslan, der sich ebenso intensiv um ihn kümmert. Er habe Fußball gespielt, erst bei der TuS Hornau, dann einfach so mit Freunden. Und sich sehr für Autos interessiert. Seinen neuen Wagen, einen BMW Cabrio, hatte Abdallah erst gut einen Monat. Und dieses Auto sollte ihm zum Verhängnis werden: Am 19. Januar 2020 war der Lehrling zum Mechatroniker beruflich unterwegs. Auf der B 455 geriet er zwischen Fischbach und Eppstein von der Fahrbahn ab und prallte im BMW gegen einen Baum.
Er sei etwas zu schnell gewesen, wissen Freund Deniz und Vater Said heute. Aber nicht so, dass es zu diesen Folgen hätte kommen müssen, sind sie überzeugt. Denn auch die Technik im Auto habe möglicherweise eine tragische Rolle gespielt. Die Familie aus dem Irak will es untersuchen lassen, wird vom Frankfurter Anwalt Paulo Coelho vertreten.
Schnell wird beim Besuch deutlich, warum die Familie dringend Hilfe braucht. Die Pflege ist nicht das Problem, das stemmen die Al Hassans mit Freunden zusammen. Der Vater hat dafür sogar seinen Beruf als Friseur-Meister in Frankfurt aufgegeben. Die Familie lebt in einer 100-Quadratmeter-Wohnung im vierten Stock in der Stadtmitte. Der Aufzug aber fährt nur bis zur dritten Etage. Einmal im Monat muss Abdallah in der Klinik eine spezielle Thrombose-Spritze erhalten. Der Transport ist abenteuerlich: Dann rückten Leute der Feuerwehr an, um den jungen Mann auf einer Trage nach unten zu bringen. Und was ist in einem Notfall? Das fragt sich der Vater mit Blick auf den langen Transport aus dem Haus.
„Die Wohnung ist nicht dafür ausgelegt“, sagt Coelho. Sie haben schon Makler eingeschaltet und seit zwei Jahren nach einer barrierefreien Bleibe gesucht - bisher vergeblich. Auch mit Bürgermeister Albrecht Kündiger haben sie gesprochen. „Die Wohnungssituation ist untragbar, eine Katastrophe“, so Coelho. Eine neue Bleibe müsse nicht in Kelkheim sein.
Weniger gut sei auch die große Hitze im Sommer, zudem bildet sich Schimmel. Mit der Berufsgenossenschaft haben sie sich arrangiert. Nach wenigen Wochen im Höchster Krankenhaus kam Abdallah für 15 Monate in eine Spezialklinik in Bayern. Danach ging es in die „Taunus-Residenzen“ in Bad Soden. Doch nach gut einem Jahr entschied die Familie im Sommer 2022, dass sie ihren Sohn zu Hause weiter pflegen will. Die Genossenschaft habe zugestimmt, der junge Mann in gut sechs Monaten erhebliche Fortschritte gemacht. Benötigte Therapeuten kommen hierher. Trotz aller Hoffnung werde der junge Mann immer Pflege brauchen, weiß die Familie. Der Vater hat den Job aufgegeben, Mutter Anam zeitweise allein gearbeitet. Nun gibt es etwas Betreuungsgeld, aber sie müssen ans Ersparte ran. „Wir sitzen jeden Tag bei ihm und weinen“, erzählt der 55-Jährige. Auf lange Sicht hofft er, dass Abdallah wieder ein deutlich eigenständigeres Leben führen kann.