Sie wollen die Welt besser verstehen
Arbeitskreis Philosophie trifft sich immer montags und hat neuen Chef
Kelkheim - Es macht keinen Sinn, einem drei Jahre alten Kind irgendwelche Moralpredigten zu halten.“ Das sagt Rudi Hammer. Der Hofheimer bezieht sich damit auf den Philosophen Jean Paul Sartre, der unter anderem erklärt habe: „Der Mensch ist in die Welt geworfen worden.“ Und könne als kleines Kind noch nicht so viel Bewusstsein aufgebaut haben wie Erwachsene. Aber mit Blick auf aktuelle Themen wie den Ukrainekrieg zitiert Hammer Sartre auch: „Freiheit ist eine Bewusstseinsleistung.“ Wenn ältere Person später dieses ausgeprägt hätten, dann seien sie auch „zur Freiheit verurteilt“.
Zum Publikum gehören Ökonomen und Handwerker
Hammer ist an diesem Vormittag Referent beim Arbeitskreis Philosophie, der sich jeden Montag um 10 Uhr im Gutenbergsaal der Stadtbibliothek trifft und aus einer kleineren privaten Runde vor mehr als 20 Jahren entstanden ist. Inzwischen sind hier oft über 20 Gäste dabei, die zum Teil selbst Referate halten, vor allem aber gerne Neues aus der Welt der Philosophie erfahren, dabei mitdiskutieren und auch aktuelle Themen einbinden.
Viele Jahre hat Edgar Zachäus die Runde geleitet, die kein fester Verein und als lose Gruppierung dem Kulturreferat der Stadt angegliedert ist. Inzwischen hat Dennis Miller die Aufgabe der Koordination übernommen. Miller stammt aus England, hat dort eigentlich Chemie studiert. Doch bei einem kleinen „Ausflug“ in Oxford habe ihn für zwei Semester die Geschichte und Philosophie der Naturwissenschaften interessiert. So sei er mit dem Thema erstmals in Berührung gekommen.
Viele Jahre ruhte das, seit 1973 lebt Miller in Deutschland, seit 1989 ist er in Kelkheim. Nach dem „Brexit“ habe er auch die doppelte Staatsbürgerschaft angenommen. Längst ist er auch ohne den Pass hier heimisch, hat 2016 vom Arbeitskreis Philosophie erfahren und sich wieder an seine alte Liebe aus dem Studium erinnert. Es findet es gut, dass die Gruppe keine festen Strukturen habe, jeder vorbeischauen könne. „Es geht um viele grundlegende Fragen, ein breite Palette, die eigentlich alle Lebensbereiche betrifft“, betont Miller. Dingen auf dem Grund zu sehen, sie rational zu betrachten - das fasziniert den 71-Jährigen.
Ekkehard Sennewald aus Hornau wolle im Alter gerne „noch etwas dazu lernen“. Als ehemaliger Handwerker sei doch „das Geistliche etwas vernachlässigt“ worden, das wolle er nun nachholen. Er freut sich schmunzelnd als „Oppositionsführer“, dass hier jeder willkommen sei - vom Professor über den Handwerker bis zur Hausfrau.
Auch der an diesem Tag vortragende Rudi Hammer findet diese Mischung prima. Er ist seit mehr als einem Jahr dabei. Seine Brötchen hat er als Ökonom verdient, sei mit 53 aber bereits in frühe Rente gegangen. Um dann in der Schweiz ein komplettes Philosophie-Studium zu absolvieren. „Man bekommt durch die vielen Vortragenden so viele tolle Anregungen“, lobt Hammer. Vor allem sei es auch einen guter Start in die Woche, sagt der Hofheimer, der sich zudem sehr im Verein „Kinder in Nepal“ engagiert. Kein Wunder auch, dass er sich mit Sartre und der Freiheit bei seinem Vortrag befasst.
Ganz allgemein betont AK-Leiter Miller: „Die Welt verstehen - wer sich das vornimmt, kommt auch an der Philosophie nicht vorbei. Es ist ein breites Feld, das an viele Gebiete aus Wissenschaft und Gesellschaft grenzt.“ Das Programm der Kelkheimer Gruppe spiegele diese Abwechslung, so Miller. Er freut sich über viele Referenten aus den eigenen Reihen, würde sich vielleicht manchmal noch etwas mehr wünschen.
Ein fleißiger Vortragender ist Joachim Schnell, der unter anderem Philosophie studiert hat, Dozent für Kirchengeschichte und 25 Jahre Pfarrer im Raum Hannover war. „Jede und jeder kann sich hier einbringen, unabhängig von dem Bildungsstand“, hebt Schnell hervor. Es seien „gute, aber unabhängige Bildungsniveaus“. Ein Bezug zur Aktualität ergebe sich dann oft über Themen und Diskussionen. So sind laut Miller schon ernsthafte Aspekte in „Pippi Langstrumpf“ erkannt worden. Wenn es zum Beispiel um das „Recht und Unrecht des Stärkeren“ geht, dann ist auch zwangsläufig der Krieg in Europa wieder ein Thema. wein