Main-Taunus: Beschäftigte wollen Lebenshilfe „neu aufbauen“

Mitarbeitende der Lebenshilfe Main-Taunus üben Kritik an der Kündigung von Geschäftsführer Ulrich Mann. Sie sehen gravierende Versäumnisse beim ehrenamtlichen Vorstand des Vereins. Der weist alle Vorwürfe zurück.
Die Kündigung und Freistellung von Geschäftsführer Ulrich Mann sorgt in der Lebenshilfe Main-Taunus weiter für Unruhe. Nachdem ein knappes Drittel der 450 Mitglieder Aufklärung forderte, üben jetzt auch Beschäftigte öffentlich Kritik an der „einsamen und falschen“ Entscheidung des Vorstands.
Man habe Ulrich Mann als Geschäftsführer „mit großem Engagement und entsprechender Kompetenz“ erlebt, heißt es in einer Stellungnahme. „Nachdem wir eine existenzielle Krise und die Beinahepleite unseres Arbeitgebers erlebt hatten, waren die meisten von uns zuversichtlich und motiviert.“ Die Kündigung Manns Mitte Februar, für die der Vorstand keinerlei nachvollziehbare Gründe nannte, habe bei vielen Mitarbeitenden Entsetzen und Enttäuschung ausgelöst, sagte Veronika Runge im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Die Beschäftigten wüssten nicht, wie sie die Situation den behinderten Menschen, die sie betreuten, und deren Angehörigen erklären sollen. „Wir wissen ja selbst nichts.“ Runge leitete bis zum Herbst vorigen Jahres das betreute Wohnen der Lebenshilfe. Jetzt engagiert sie sich ehrenamtlich im Verein. Andere Mitarbeitende wollen ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. „Aufgrund der aktuellen Entwicklungen haben wir Angst“, heißt es in dem Schreiben an die FR.
Dem ehrenamtlichen Vorstand der Lebenshilfe machen die Beschäftigten massive Vorwürfe. Das Gremium lasse Transparenz, Kommunikation und Wertschätzung vermissen, im Umgang mit dem Personal fehlten verlässliche Führungsgrundsätze und Respekt. Der Vorstand sei in den Einrichtungen der Lebenshilfe nicht präsent und vielen Bewohner:innen, Klient:innen und Mitarbeiter:innen überhaupt nicht bekannt.
„Wir halten die Entscheidung, Ulrich Mann zu kündigen, für grundlegend falsch und vermuten, dass die Motivation für diesen Schritt beim Vorstand vollständig im persönlichen Bereich liegt“, schreiben die Mitarbeitenden. Und sie wollen einen Neuanfang für die Lebenshilfe Main-Taunus, die sich seit mehr als 50 Jahren um Menschen mit Behinderung und deren Familien kümmert. Unter anderem fordern sie halbjährliche Wirtschaftsberichte sowie die Erarbeitung eines zeitgemäßen pädagogischen Programms.
Eine Arbeitsgruppe solle die Umwandlungsoptionen des Vereins in eine andere Rechtsform prüfen. „Die Lebenshilfe Main-Taunus wurde 1967 als Elternverein gegründet. Die Behindertenarbeit hat sich seither grundlegend geändert, die Strukturen im Verein nicht“, bedauert Veronika Runge. Mit 240 Mitarbeiter:innen sei die Lebenshilfe zu einem mittelständischen Unternehmen herangewachsen. „Wir wollen die Lebenshilfe neu aufbauen“, schreiben die Beschäftigten. „Ob das mit diesem Vorstand gelingen kann, bezweifeln wir.“
Skepsis gegenüber der Vorstandsarbeit hatten auch die Mitglieder in ihrem Schreiben geäußert. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung sollten gegebenenfalls Abwahlen stattfinden, forderten sie und wollten auch Ex-Geschäftsführer Ulrich Mann zu Wort kommen lassen.
Noch vor den Sommerferien werde der Vorstand in einer Mitgliederversammlung Rechenschaft über seine Arbeit ablegen, kündigte Vorsitzende Jenny Grünewald gegenüber der FR an. Manns Kündigung werde dabei nicht thematisiert. „Personalangelegenheiten sind vertraulich zu behandeln.“ Den Vorwurf der Beschäftigten, der Vorstand habe aus persönlichen Motiven gehandelt, weist Grünewald zurück. Das Gremium sei den Mitgliedern und den vom Verein betreuten Menschen mit Behinderungen gleichermaßen verpflichtet. „Persönliche Interessen haben da keinen Platz.“
Mit einer hauptamtlichen Geschäftsführung verfüge die Lebenshilfe über eine professionelle Führung, stellt Grünewald klar. „Wie die demokratische Selbsthilfestruktur des Verein künftig mit der erforderlichen professionellen Leitung der Organisation kombinierbar ist, darin liegt eine unserer Herausforderungen.“