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Die „Königs-Möbel“ der Gagern

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Leihgeberin Katharina Kofler hat Platz genommen auf ihrem Louis-Philippe-Sofa. weiner
Leihgeberin Katharina Kofler hat Platz genommen auf ihrem Louis-Philippe-Sofa. weiner © wein

Museum präsentiert ein Stück Hornauer Hofgut-Geschichte

Kelkheim - Es passt alles: Der grüne Stoff des Louis-Philippe-Sofas findet sich in den vier Stühlen in diesem Stil gleich nebenan wieder. Vor gut 200 Jahren haben darauf vermutlich Hans Christoph von Gagern und seine Frau Charlotte auf dem Hornauer Hofgut erlauchte Gäste wie den Freiherrn vom Stein empfangen oder mit ihren Kindern familiär geplaudert - darunter mit Sohn Heinrich der erste Präsident der ersten Nationalversammlung vor 175 Jahren in der Frankfurter Paulskirche. Der schriftliche Nachweis, dass die fünf Stücke mal im Gut standen, fehlt zwar. Aber es spricht alles dafür. So sind die Stühle einer Dauerleihgabe von Heinrichs Ur-Ur-Enkel Rüdiger von Gagern. Und die Oma der Kelkheimerin Katharina Kofler wiederum hat das Sofa aus dem Hof-Nachlass erworben.

Das Sofa hat von der Stadt und dem Museumsverein nun einen Titel bekommen: Es ist das „Möbel des Jahres 2023“. Die Idee zur Auszeichnung hatte vor elf Jahren die damalige Zweite Vorsitzende Inge Voigt. Zuletzt stand das Rundbett der Möbelfirma Stelzer an diesem exponierten Platz. 2022 legte der Verein eine kurze Pause ein, präsentierte Bilder aus der Sammlung des Ruppertshainer Malers Adam Wallauer. Doch nun sei mit dem Paulskirchen-Jubiläum der richtige Zeitpunkt für das Gagern-Sofa, betont Museumsvereins-Chef Jürgen Moog. Er hat mit Unterstützung von Edelgard Kleemann und Christa Wittekind zwei Porträts von Charlotte und Hans Christoph im Schloss Mainsondheim abfotografieren und passend über das Sofa hängen können. Drei Spiegel und ein Intarsien-Tisch der Kelkheimer Antiquitäten-Restaurateurin Heike Mayrl komplettieren das stimmige Arrangement.

Bei Katharina Kofler zu Hause indes fehlt nun ein wichtiges Möbel im Wohnzimmer. Doch sie habe das Projekt gerne unterstützt und ist sicher, dass die Gagern vor ihr darauf saßen. Ihre Großmutter Katharina Fogel, geborene Kraus, aus Hornau hat das Sofa wohl um 1910 bei einer Auktion des Hofgut-Inventars erworben. Museumspädagogin Marianne Bopp hat die Familiengeschichte zusammengetragen. So heiratete Kraus den Lothringer Jean Pierre Fogel, der beim Bau der Königsteiner Kleinbahn half, zuvor bereits als Schiff-Kohleschipper nach Übersee fuhr und im berühmten Hotel Waldorf-Astoria arbeitete. Nach Krankheit ging er zurück nach Deutschland, wo er als Johann Peter Fogel mit seiner Frau nach einem weiteren kurzen Abstecher in Lothringen in Hornau heimisch wurde. Das Möbel ging in den Besitz ihrer Tochter Maria Franziska Dörr über, die in Metz Gouvernante war, später ihre Kinder in französischer Sprache erzog - eine Parallele zur Familie von Gagern. Bei Tochter Katharina stand das Sofa im Kinderzimmer, wenig genutzt. Als die Leihgeberin in Hornau umzog, ging das Louis-Philippe-Exemplar mit.

MÖBEL-TOUREN UND HEINRICH-VORTRAG

Zum neuen „Möbel des Jahres“ bietet der Museumsverein Sonderführungen mit Museumspädagogin Marianne Bopp und Historiker Rüdiger Kraatz an. Der erste Rundgang ist an diesem Sonntag, 26. Februar, um 16 Uhr im Museum, Frankfurter Straße 21. Danach sind die Touren bis einschließlich November an jedem dritten Sonntag im Monat zu dieser Zeit geplant. Die Teilnahme kostet 5 Euro.

Passend zum Thema wird es auch einen Bildvortrag über Heinrich von Gagern von Frank Möller, der seine Habilitationsschrift über ihn verfasst hat, am Mittwoch, 22. März, um 19 Uhr im Rathaus geben (Eintritt frei). wein

Es handelt sich um ein besonderes Stück, wie Kulturamtsleiterin Beate Matuschek betont. Benannt ist die Stilrichtung nach dem französischen Bürgerkönig Louis Philippe, in dessen Regierungszeit (1830 bis 1849) Elemente des Rokoko auflebten. Was in Frankreich „en vogue“ war, sei schnell in ganz Europa angesagt gewesen, so Matuschek. Mehr noch: Was die Adligen hatten, wollte sich bald das Bürgertum zulegen. Geholfen haben die Hersteller, denn auch das Sofa besteht aus einigen Einzelteilen. Dadurch war eine Mengenfertigung möglich, die erschwinglicher war, erläutert Matuschek.

Bei den Gagern standen das Sofa und die Stühle vermutlich in einem Salon - eine typische Entwicklung. Zu Themen wie Literatur oder Musik und in der Familie wurden sie Treffpunkte. „Ein Salon war eine Bühne fürs Bürgertum“, sagt Matuschek. Auch das „Möbel des Jahres“ hat die schwungvollen Rückenlehnen, Veluten und Rosetten.

Stadtarchivar Julian Wirth hat bereits im Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises die Geschichte des Hofguts zwischen 1852 und dessen Ende 1914 erforscht. Er habe zwar dabei keinen Nachweis auf das Sofa gefunden, aber eine historische Lücke schließen können. Für das Dorf Hornau mit damals 300 Bürgern sei das Gut damals „ganz zentral gewesen“, sagt Wirth - auch als Arbeitgeber. So weit, wie damals eine Metzger-Witwe Anthes wolle er aber nicht gehen. Sie habe immer von einem „Schloss Hornau“ gesprochen, was ihr später sogar untersagt worden sei.

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