„Bei Rassismus mit Zivilcourage aufstehen“

Stadt stellt als erste Kommune im Kreis Schilder gegen Diskriminierung auf und hofft auf Nachahmer
Kelkheim - Die kleinen Länder-Fahnen flattern im Wind. Der Regen prasselt auf die Gruppe ein, die sich hier am Ortseingang am Hauptfriedhof um ein Schild herum versammelt. Es ist zwar noch verhüllt, aber durch die Nässe ist der Text bereits zu lesen. „Kelkheim - Stadt gegen Rassismus“ heißt es. Als Salomé Korschinowski, die Vorsitzende des Ausländerbeirats, und Bürgermeister Albrecht Kündiger die Botschaft dann auch offiziell enthüllen, branden Applaus und Trommelwirbel auf.
Moderatorin und Sprecherin Tamiko Keck wählt zwar einen etwas forschen Superlativ: „Ihr seid die erste Stadt, die es in Deutschland macht. Ihr seid da Vorreiter.“ Doch zumindest ist Kelkheim jetzt ganz vorne mit dabei, auf insgesamt zehn Schildern an den Ortseingängen für ein Eintreten gegen Rassismus aufzurufen. „Wir sind die erste Stadt im Main-Taunus-Kreis, die sich auf diese Weise dagegen stellt“, betont Korschinowski und hofft, „dass viele dem Beispiel folgen“. Interessenten gibt es: Massimiliano Agoste, Ausländerbeiratschef in Eschborn, findet es „eine super Initiative“ und will die Sache in der Nachbarstadt aufgreifen.
„Rassismus persönlich zu erfahren, ist nicht schön“, weiß Korschinowski, die aus Eritrea stammt, fügt aber an: „Aber schön ist es, nicht allein zu sein.“ Sie selbst sei „stolz und froh, dass ich Kelkheimerin bin“ und betont: „Ich glaube an ein Kelkheim, in dem die Menschen aufstehen, um anderen Menschen zu helfen.“ Denn könne sie aus vollem Herzen sagen: „Kelkheim, Stadt gegen Rassismus.“ Und sei dankbar, dass die Stadtverordneten den Beschluss für die Schilder gefasst haben, der Landrat die Aufstellung unbürokratisch genehmigt hat. „Sie sind Demokraten, Sie sind Anti-Rassisten.“ Letztlich aber seien es doch „nur Schilder“, so die Vorsitzende. „Es ist wichtig, die Menschen mitzunehmen, ihnen zu erklären, was der Sinn ist.“
Ähnlich formuliert es bei der Enthüllung, die Facko Traoré und die für Integration zuständige Stadträtin Sabine Mündlein-Dosch mit Trommelklängen begleiten, auch der Bürgermeister. Die Schilder seien „ein gutes Signal, eine Willensbekundung“. Aber „gelebt werden muss es im Alltag“, so Kündiger. „Ich hoffe, dass andere diesem Beispiel folgen, dass sie mit Zivilcourage aufstehen und eingreifen bei rassistischen Tendenzen.“ Er lobt auch das Engagement der Eichendorffschule (EDS), die sich in dieser Richtung eine Marke geben wolle.
Schulsprecher Ben Herrigt berichtet vom Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Hier sei die EDS auf einem guten Weg mit Projekten wie Zeitzeugen-Gesprächen zur NS-Zeit, zuletzt einem Anne-Frank-Tag, Besuchen in Synagogen oder Konzentrationslagern. Gut 80 Prozent der Schüler hätten für die Teilnahme an dem Netzwerk gestimmt, so Herrigt. „Ich wünsche mir, dass dieses Label gelebt wird und für große Unterstützung sorgt“, betont er und redet Klartext: „Wir leben in Zeiten, in denen Rechtsextremismus im Fokus der Öffentlichkeit ist. In denen eine Partie versucht, mit faschistischen Herangehensweisen die Gesellschaft zu spalten.“ Deshalb seien die Schilder „ein richtiges Signal“. Das sieht Trommler Traoré genauso. Seit 40 Jahren sei Deutschland seine „zweite Heimat“ und weiß, dass „nicht zwei Füße einen Weg machen, sondern viele“. Und gibt für alle das Signal: „Der Mensch ist der beste Wert auf der Erde.“
Da kann Moderatorin Keck nur zustimmend nicken: „Farbe und Vielfalt ist das, was man braucht.“ Für Vielfalt und gegen Rassismus setzt sich auch Eleonore Wiedenroth-Coulibaly ein. Sie freut sich, dass auch der Frankfurter Stadtteil Rödelheim mit solchen Schildern wirbt. Sie engagiert sich in mehreren Initiativen, berichtet unter anderem von der internationalen Städtekoalition gegen Rassismus. „Wir brauchen eine Haltung dazu in der Stadt, im Parlament, in der Verwaltung“, fordert sie. So ein Schild alleine aber reiche nicht, es brauche gelebte Werte wie „Wertschätzung, Gleichbehandlung, Vertrauen und Mitbestimmungsmöglichkeiten“. Jeder müsse sich hinterfragen und „auf dem eigenen Weg zur Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit sein“, so Wiedenroth-Coulibaly.