Aus für Museumsprojekt im Pfarrzentrum

Parlamentsmehrheit möchte Ladenlokal in Stadtmitte als neues Domizil prüfen lassen
Kelkheim - Am Ende nahmen es die Mitglieder des Parlaments ohne Regung hin: Weder Frust und lauter Unmut auf der einen, noch Triumph oder Fäuste ballen auf der anderen Seite: Das Museum für Möbelhandwerk und Stadtgeschichte soll nun, nach gut zehn Jahren Diskussion, wieder einen neuen Standort bekommen. Der Umbau des alten Pfarrzentrums ist wohl Geschichte. Es soll abgerissen werden und Wohnungsbau weichen.
Nun hat die Mehrheit am Montag ein Ladenlokal an der Frankfurter Straße ins Visier genommen, wo noch ein Geschäft für Wohnaccessoires beheimatet ist. UKW, FDP und Freien Wählern Kelkheim reichten 21 Mandate, um sich mit einer Stimme mehr gegen CDU, SPD und Ivaloo Schölzel (fraktionslos, Freie Wähler) durchzusetzen. Es fehlten vier Parlamentarier - drei von CDU und SPD, eine Person der UKW. Das Pendel hätte bei Vollbesetzung anders ausgeschlagen.
Vorangegangen war eine emotionale Diskussion über ein Projekt, das viel erlebt hat. Zuerst die Enge im derzeitigen Museum, dann das Aus für den ersten Standort in der alten Polizei an der Hauptstraße. Die Stadt kaufte das ehemalige Pfarrzentrum Feldbergstraße, das von der Kirche aus finanziellen Gründen aufgegeben worden war. UKW und FDP brachten diese Idee erstmals zu Fall. Gegen den Beschluss richtete sich Ende 2018 ein erfolgreicher Bürgerentscheid, der das Pfarrzentrum retten, ein Museum mit Kulturzentrum einrichten wollte. Dann explodierten die Preise, von den im Entscheid genannten 1,2 auf zuletzt 3,5 Millionen Euro. Der Mehrheit war’s zu viel, Erster Stadtrat Dirk Hofmann (CDU) speckte ab, es sollte nur das Erdgeschoss ausgebaut werden - ohne großen Saal und Keller, für 2,9 Millionen. Das wurde im Dezember beschlossen.
Die UKW sah dies kritisch, hatte auch bei einigen Politikern Bauchschmerzen ausgemacht. Sie bekamen vom kommenden Leerstand an der Frankfurter Straße mit, haben sich den Laden angeschaut und halten ihn für „gut geeignet“, wie Wolfgang Coy warb. Die Stadt zahle deutlich mehr allein für Abschreibungen, Zinsen und Strom beim Pfarrzentrum als an Miete bei der Alternative. Eine neue Konzeption müsse für beide Lösungen erstellt werden, so Coy.
VEREIN SIEHT „TOTALEN IRRSINN“
Jürgen Moog redet gar nicht erst um den heißen Brei herum. „Unmoralisch“ sei das Vorgehen der UKW, kurz nach dem Beschluss zum alten Pfarrzentrum schon wieder mit einem eigenen Antrag um die Ecke zu kommen, ärgert sich der Vorsitzende des Museumsvereins. Es gehe hier schlicht darum, das vom Verein bevorzugte Projekt zu verzögern und gar zu verhindern. Der nun vorgeschlagene Laden sei für ein Museum ungeeignet, zu klein, mit großen Schaufenstern ohne Diskretion, ohne Perspektiven. Und Moog wird noch deutlicher: „Wir gehen da nicht rein. Eher wird der Verein aufgelöst.“ Diese Variante sei „totaler Unsinn“. Er ist überzeugt, dass der Verein dann den Betrieb dieser Räume verweigern würde. Der Chef sieht ein weiteres Problem: Ende März stehen Wahlen zum Vorstand an, wichtige Posten müssen neu besetzt werden. Um Interessenten zu finden, wolle er mit dem attraktiven, neuen Museumsprojekt werben. Mit der Alternative hingegen werde er wohl die Menschen kaum begeistern können, fürchtet er und spricht sogar schon von einer denkbaren Auflösung des Vereins. Die Gegenstände im Museum gehören auch der Initiative, sie würden an die Stadt übergehen.
Auch die Bürgerinitiative „Kelkheim 2018“, die den Bürgerentscheid damals erfolgreich gestaltet hat, ist verwundert. „Jede andere Kommune im Umkreis wie Bad Soden, Hofheim und jetzt auch Hattersheim nutzt ein prägendes Gebäude für den Betrieb eines Stadtmuseums. Wir haben solche prägende Gebäude mit ihrer Geschichte in Kelkheim wie das ehemalige Pfarrzentrum St. Franziskus in der Feldbergstraße“, betont Sprecher Thomas Zellhofer. Nun sei der Bürgerentscheid mit 7952 „Ja“-Stimmen aber Geschichte. Zellhofer blickt auf seinen letzten Besuch beim gerade verstorbenen CDU-Mann Wolfgang Zengerling, einer der Initiatoren der BI, zurück. „Er war sichtlich versauert über den Antrag der UKW und gab der Hoffnung Ausdruck, dass dieser Antrag keine Mehrheit findet.“ Dieser Beschluss würde „ein Provisorium über Jahre betonieren“, waren sich Zellhofer und Zengerling beim Abschied einig. wein
Erster Stadtrat Hofmann konnte dem nicht folgen. Wo komme die Stadt hin, „wenn die Halbwertszeit einer politischen Entscheidung gerade noch sechs Wochen beträgt“. Er hätte sich „gewünscht, dass die Entscheidung von der UKW akzeptiert wird“. Dass einige Parlamentarier „Unbehagen“ gespürt haben wollen, nannte er „Unsinn“ und einen „Witz“. Zum Laden wolle er nichts sagen, das werde die Stadt ohne Vorbehalte prüfen. Klare Worte fand auch Norgard Ortwein-Horn (CDU). „Bin ich hier im falschen Film?“ Gelder seien ins Pfarrzentrum investiert, Zuschüsse erhalten worden. Mit Blick auf den Bürgerentscheid warnte sie: „Alle, die zustimmen, werden zur Bürgerrechtsverweigerungs-Partei.“
„Wir freuen uns, wenn Vorschläge über Standorte gemacht werden, die kostengünstiger sind“, so FDP-Chef Michael Trawitzki. Er hoffe, dass sich nun noch einmal alle an einen Tisch setzen. Die FDP hatte vorab den Laden an der Frankfurter Straße als weniger geeignet genannt, statt dessen die alte Post an der Breslauer Straße und als Favoriten den Rettershof ins Spiel gebracht.
UKW-Fraktionschefin Doris Salmon nannte den Vorschlag aufgrund der zentralen Lage aber „mehr als einen Strohhalm“, während die Feldbergstraße ein „Millionengrab“ sei. Ivaloo Schölzel monierte, dass dem Bürgerentscheid weiter „Respekt“ gehöre. Sie würde zuerst immer den Museumsverein fragen, der das Haus ja mit Leben füllen soll. Kalle Debus (SPD) wurde ebenso deutlich: „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Sie es für eine geeignete Fläche halten.“ Er sei „für alles, was diesen Wahnsinn beendet“, erklärte Patrick Falk (FDP).
