20 Zugausfälle an einem Tag

Ärger mit Regionalbahn 12 / Massive Personalsorgen
Kelkheim - Bürgermeister Albrecht Kündiger wohnt in der Nähe des Hornauer Bahnhofs und hat einen guten Blick auf das Geschehen. Was er dort am Mittwochmorgen im Berufsverkehr sah, hat ihm die Hutschnur platzen lassen. Erst sei ein Zug nicht gekommen. Die nächste Bahn habe einen einzigen Wagen mitgeführt. Die Hornauer hätten sich alle noch hinein quetschen können.
Für Kündiger war das „der traurige Höhepunkt, ich hätte nicht gedacht, dass es derartig eskaliert“, sagt er gestern bei einem Pressegespräch im Rathaus. Er spreche auch für die Amtskollegin Eva Söllner (Liederbach) und den Königsteiner Rathauschef Leonard Helm. Kündiger hat eine ganze Mappe von Bürgerbeschwerden über die Regionalbahn 12 dabei, die sich in den vergangenen zwei Wochen bei ihm angesammelt haben. Eine Frau aus Münster hat ihm geschrieben: „Ich komme mir vor, als würden wir im Kongo leben.“ Sie zahle jeden Monat für ihre Karte - dann derart viele Ausfälle. Kündiger hat sich aus dem Vorstand des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) Zahlen geben lassen: Vorletzten Montag seien es 4, am Dienstag danach sogar 20 Zugausfälle, mittwochs immer noch 12 und donnerstags 6 gewesen, schildert er. Auch am Dienstag darauf hätten im Berufsverkehr wieder Züge gefehlt.
Betreiber der Züge auf der Strecke ist seit Dezember 2022 die Deutsche-Bahn-Tochter Start Deutschland, verantwortlich und Auftraggeber aber der RMV. Beiden Unternehmen ist das Thema ähnlich akut und wichtig. Denn die Kreisblatt-Anfrage bei Start wird prompt beantwortet, der RMV gibt eine Pressemitteilung heraus, und dessen Sprecher Maximilan Meyer erscheint persönlich beim Termin im Rathaus. In der offiziellen Info heißt es: „Aktuell kommt es auf den Linien RB 11, RB 12, RB 15 und RB 16 im Taunusnetz zu Zugausfällen und Verspätungen. Der Hauptgrund hierfür ist vor allem eine äußerst angespannte Personalsituation, das heißt Fahrermangel bei der Betreiberin Start. Gleichfalls gibt es nach wie vor Fahrzeugprobleme.“ Der RMV nennt auch Zahlen: Neben einem weiter „ungewöhnlich hohen Krankenstand“ haben insgesamt zwölf Zugführer in den vergangenen Wochen gekündigt. Laut Mayer hat das auch mit der besonderen Belastung zu tun, denn seit Dezember seien zum Teil bis zu vier verschiedene Zugtypen zum Einsatz gekommen. Wahrscheinlich sei, dass diese dringend benötigten Kräfte in einem engen Markt zu anderen Bahnunternehmen gewechselt sind.
Start müsse in der Sache nun noch einmal etwas „geschoben“ werden, wie es der Sprecher formuliert. Die Partner machen aber auch deutlich: Fahrten für Schüler und Berufstätige in der Morgenspitze werden „zuerst besetzt“. Alle Fahrer seien im Dienst, „kurzfristige Krankmeldungen können daher meist nicht mehr aufgefangen werden und kommt die Krankmeldung knapp vor Dienstbeginn, erschwert dies eine rechtzeitige Fahrgastinformation“. Start teilt mit, in Sachen Personal werde nachgebessert: Es sei gelungen, trotz des „massiven Fachkräftemangels“ Fahrer „vertraglich überlassen zu bekommen, die derzeit auf die Fahrzeugtypen geschult werden“. Die Schulungen würden „zeitnah abgeschlossen, so dass die personelle Situation schrittweise in der kommenden Woche und bis Mitte Mai deutlich besser wird und dann voraussichtlich alle Verbindungen im Taunusnetz wieder gefahren werden können“, betont Start. Die Bahnen, auch die Wasserstoffzüge auf der RB 15, liefen weitgehend stabil, so der RMV. Technische Probleme könnten „nicht vollständig ausgeschlossen werden“. Laut Meyer kommen nach und nach neue Wasserstoffzüge hinzu, die Reichweiten seien gesteigert worden.
Bürgermeister Kündiger hört es mit gemischten Gefühlen. Die ganzen Beschwerden landen oft in den Rathäusern, deren Chefs in der Sache fast „nicht mehr ernst genommen werden“. Es reiche ihm nicht, auf das sicher auch wichtige Beschwerdetelefon des RMV hinzuweisen. „Wir haben lange dran zu arbeiten, das Vertrauen zurück zu gewinnen“, so Kündiger, der mit seinen Kollegen drei wichtige Forderungen an RMV und Start hat: die Probleme zunächst beseitigen, zugleich die Fahrgast-Informationen und vor allem das Krisenmanagement verbessern. Das alles sei „hochgradig ärgerlich“. Vor allem, wenn Menschen morgens zur Arbeit müssen, es nicht können und dann auf das eigentlich weniger gewollte Auto im Berufsverkehr umsteigen. Oder wenn Studenten Prüfungen, Schüler den Unterricht verpassen. Die Information der Menschen sei „dringend verbesserungsbedürftig“. Gegen Krankmeldungen sei nichts zu machen - aber die Menschen „müssen wissen, woran sie sind“.
In der Mitteilung heißt es: „Kommt es zu Störungen, müssen diese direkt im laufenden Betrieb behoben werden. Dies bündelt oft alle Kräfte, so dass eine zeitgleiche Fahrgastinformation insbesondere unter der derzeitigen Personallage kaum möglich ist.“ Alle Projektpartner arbeiteten daran, die Kundeninformation zeitnah zu verbessern. wein