„Momente des Erlebens“ im Stadtmuseum

Angebot für Demenzkranke und ihre Partner und Partnerinnen
Hofheim - Mein Mann findet immer die kleinen Details“, lacht Gunda Friedrich aus Marxheim. Dass er stets ganz genau hinschaut, am Ball bleibt und den Dingen auf den Grund gehen möchte, ist ein Wesenszug von Roman Friedrich.
So findet er in den unzähligen Ausstellungsstücken im Stadtmuseum tatsächlich ein kleines Stück Fischleder, das blau schillernd in einer Vitrine ruht. Dieses war zuvor mit ein paar Worten bei der Führung „Momente des Erlebens“ erwähnt worden, blieb zunächst jedoch unauffindbar. Roman Friedrich lächelt etwas verschmitzt und zugleich auch stolz über seine detektivischen Fähigkeiten. Gemeinsam mit seiner Frau ist der Marxheimer zur Museumsführung erschienen, die sich an dementiell Erkrankte und ihre Begleitung richtet.
Die Besucher werden hier an die Geschichte der Lederfabriken und Gerbereien im Taunus herangeführt, die im 19. Jahrhundert den Bewohnern im Lorsbachtal bescheidenen Wohlstand ermöglichten. Es gilt die vielfältigen Arbeitsschritte der Lederherstellung und Veredelung zu entdecken, ebenso wie gebräuchlichste Gegenstände, Maschinen und Hilfsstoffe. Beim Ertasten von Materialproben können die Gäste verschiedene Leder-Arten hautnah vergleichen. Das intensive Befühlen der Ausstellungsobjekte und das Erleben mit allen Sinnen ist für die Teilnehmer ein guter Weg, um mit den eigenen Gefühlen und Erinnerungen in Kontakt zu treten.
DAS PROJEKT
Die Führungen für Demenzkranke werden durch Julia Krämer (Museumspädagogin des Stadtmuseums) und Simone Schupp (Leiterin der KEB Main-Taunus) angeleitet und von Ulrike Goretzka (Caritasverband Main-Taunus) begleitet. Das Kooperationsprojekt „Momente des Erlebens“ steht unter der Schirmherrschaft von Hofheims Bürgermeister Christian Vogt. Das Angebot richtet sich an Menschen mit Demenz, ihre Pflegenden und Angehörigen.
Der Eintritt beträgt 6 Euro. Anmeldung per E-Mail an fachstelledemenz. mtk@caritas-main-taunus.de oder telefonisch unter 0 61 92/29 34-32/-34 oder -35. Die nächste öffentliche Führung ist im September; eine Führung für Wohngruppen kann individuell abgestimmt werden. red
Rasch kommt es bei der Besuchergruppe zu Gesprächen über familiäre Beziehungen zur Lederindustrie. Berufliche Erfahrungen werden ausgetauscht und auch Anekdoten erzählt. Etwa die, wie vor einigen Jahrzehnten der junge Roman Friedrich seiner Frau Gunda eine elegante Lederhandtasche anfertigen ließ. Das Andenken daran zaubert ein Leuchten in die Gesichter des Paares. Für einen Moment tritt die Erkrankung des Mannes komplett in den Hintergrund. „Es ist wichtig, dass Paare weiterhin Gutes miteinander teilen, Erinnerungen aufleben lassen und nicht nur auf das schauen, was nicht mehr geht“, sagt Simone Schupp von der Katholischen Erwachsenenbildung Main-Taunus (KEB), die Mitveranstalterin dieser Museumsführung ist. Dies stärke beide, den erkrankten Menschen und dessen Partner oder Partnerin.
„Miteinander Kultur erleben und am gesellschaftlichen Leben außerhalb der eigenen vier Wände teilnehmen - das bereichert den Alltag und bringt neue Themen in Gespräche. So bleibt der Alltag bunt“, und dies gelte generell, ganz gleich, ob das Thema Demenz im Raum stehe oder nicht, ergänzt Simone Schupp abschließend. red