„Man musste immer greifbar sein“

Georg Bambach, 36 Jahre lang Chef der Autobahnmeisterei, geht in Pension
Hofheim - Georg Bambach blickt zufrieden zurück. „Meine Frau hat einmal gesagt: ,Aus Deinem Beruf ist eine Berufung geworden.‘ Sie hat recht.“ Rekordverdächtige knapp 36 Jahre hat Bambach die Autobahnmeisterei Diedenbergen geleitet. 1987, nach dem erfolgreichen Studium als Bauingenieur, war seine Ausbildung zur Beamtenlaufbahn in Fulda beendet. Als der Einsatzort Diedenbergen feststand, schaute er als Erstes auf eine große Landkarte von Hessen an der Wand. Doch auch nach intensiver Suche ließ Diedenbergen sich nicht finden. „Der Maßstab war wohl zu groß“, sagt Bambach und lacht.
Am heutigen Freitag wird er offiziell in die Pension verabschiedet. Die Dienstwohnung gleich gegenüber der Autobahnmeisterei an der Weilbacher Straße wird aufgegeben, Schreibtisch und Büro sind leer geräumt. Mit seiner Frau zieht er in deren Heimat, Bamberg in Oberfranken. Ihre beiden erwachsenen Söhne sind ohnehin schon längst aus dem Haus. „Wenn wir hier im dicht bevölkerten Rhein-Main-Gebiet bleiben würden, wäre ich doch immer von Autobahnen umgeben - und würde gedanklich im Dienst bleiben. Bei aller Liebe, das muss nicht sein.“
Am Seitenstreifen gestrandet
Süchtig nach dem Rauschen der Autobahn geworden ist er also nicht. Zumal sein Amt als Dienststellenleiter mit einer gehörigen Portion Verantwortung und Belastung einherging. Die Residenzpflicht, also das vorgeschriebene Wohnen in direkter Nachbarschaft zum Einsatzort, kam nicht von ungefähr.
„Man musste sozusagen immer greifbar sein, mit dem Diensttelefon am Bett“, erzählt der sympathische Diplom-Ingenieur, der im Mai 65 Jahre alt wird. Nachts hieß es für ihn nicht selten auszurücken, Unfallstellen abzusichern und die Räumung zu koordinieren. Vor 30 Jahren habe es auch viel mehr schwere Unfälle gegeben, das sei dank gut ausgebauter Strecken und Betonschutzwänden deutlich sicherer geworden.
„In all den Jahren wurde zum Glück auch keiner meiner Mitarbeiter ernsthaft verletzt, bis auf eine einzige Ausnahme. Es ist eine gefährliche Arbeit, trotz aller Vorkehrungen.“ Leider ignorierten rücksichtslose Autofahrer allzu oft das Tempolimit von 80 Kilometern pro Stunde an Unfall- oder Baustellen. Zwar werden fahrbare Absperrtafeln und Warn-Anhänger in ausreichendem Abstand zu den Straßenwärtern postiert, doch wenn beispielsweise ein Lastwagen durch plötzliches Abbremsen ins Schlingern gerät, wird es schnell kritisch.
AUTOBAHNMEISTEREI DIEDENBERGEN
Zuständig ist die Autobahnmeisterei für einen Bereich, der zu den am dichtest befahrenen in Deutschland zählt. Betreut werden rund 280 Kilometer Autobahn und zweibahnige Bundesstraßen (samt Verbindungsrampen an Verkehrsknoten und Anschlussstellen).
Die Strecke umfasst die A 66 westlich von Frankfurt zwischen Miquel-Knoten und Wiesbaden-Frauenstein, daran anschließend die B 42 bis Eltville. Dazu gehören die A 648 (Messe-Autobahn), Teile der A 3, der A 643 (inklusive der Rheinbrücke Schierstein) sowie Teile der B 40 und B 43 zwischen Kriftel und dem Flughafen.
Die Meistere i hält einen Fuhrpark mit 20 Fahrzeugen und 35 verschiedenen Gerätschaften vor, die selbst gewartet und repariert werden.
Im Winterdienst, einer Hauptaufgabe der Meisterei, müssen die Straßen zu jeder Tages- und Nachtzeit vor Glätte und Schnee freigehalten werden.
Die Dienststelle, die seit 2021 zur „Autobahn GmbH des Bundes“ gehört, ist neben dem Leiter mit 27 Straßenwärtern, drei Auszubildenden, einer technischen Angestellten und einer Verwaltungsangestellten besetzt. jd
Trauriger Alltag sei, dass Straßenwärter angepöbelt und beleidigt werden. „Es sind Menschen, die die Strecke in Schuss halten - und keine Störfaktoren“, mahnt Bambach.
Für ihn ist der Einsatz vor Ort selten geworden, er hat zum Schluss fast nur noch am Computer gearbeitet. Kaufmännische und IT-Aufgaben haben zugenommen, die Auftragsvergabe ist deutlich aufwendiger geworden. „Früher hatte man einen eigenen Haushalt, da war man eher sein eigener Herr.“
Inzwischen wird vieles zentral gesteuert, seit die Autobahnmeisterei keine Behörde mehr ist, sondern eine Gesellschaft des Bundes. Ein „Slot Management“ bestimmt seither die Zeitfenster für Einsätze, aufgrund von Daten zum prognostizierten Verkehrsaufkommen. Staus werden so tunlichst vermieden. Bislang waren zudem Webcams an neuralgischen Punkten eine große Hilfe. Seit dem Ukraine-Krieg seien die Kameras jedoch abgeschaltet worden, vermutlich um Truppenbewegungen schwerer erkennbar zu machen. „Ein klarer Rückschritt für uns“, sagt Georg Bambach.
Oft genug ist die Technik ein Segen. Wenn Autofahrer am Seitenstreifen stranden und die Notrufsäulen nutzen, musste ein 24-Stunden-Dienst in der Autobahnmeisterei die Polizei, den ADAC oder Abschleppwagen vermitteln. Das wurde Ende der 90er Jahre vereinfacht und übernimmt jetzt ein Dienst in Hamburg für ganz Deutschland. Nicht jeder hat ja ein Handy.
Heute endet nun ein langes Kapitel in seinem Leben. Ein gutes Verhältnis zu „seinen“ Leuten war ihm immer wichtig; er schätzte die abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit. Der Ausbau der A 66 zur Fußballweltmeisterschaft 2006 bei laufendem Betrieb etwa sei eine „Operation am offenen Herzen“ gewesen.
Eines aber hat er sich fest vorgenommen. „Wenn ich künftig über eine Autobahn fahre und mir etwas auffällt, werde ich bei keiner Meisterei anrufen und sagen: ,Da müsst ihr was machen‘.“