Ein Ort für die Stadtkultur

Im neuen Museum ist unter anderem der Erfinder Anton Flettner präsent
Hattersheim - Während eines Pressegesprächs im ehemaligen Sarotti-Werkstattgebäude schien die Stadtgeschichte greifbar in der Luft zu liegen. Die Tische waren zwischen den historischen Exponaten im Eingangsbereich des neuen Stadtmuseums aufgestellt. Skulpturen einer doppelten Madonna und Ausführungen zur wichtigen Handelsstraße Via Regia flankierten die Gesprächsrunde. Die im Foyer sichtbaren Ausstellungsstücke bildeten aber nur einen kleinen Ausschnitt der Schätze, die nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In den weiteren Räumen verbirgt sich ein informativer Querschnitt durch die Hattersheimer Geschichte.
Nach vier Jahren Planung und Vorbereitung hat das Team des Hattersheimer Geschichtsvereins eine weitere entscheidende Etappe auf dem Weg zur Eröffnung abgehakt: Die Ausstellung ist nun vollständig eingerichtet. Auf einer Fläche von rund 465 Quadratmetern finden sich archäologische Funde aus der Frühgeschichte genauso wie Einblicke in das Leben des Eddersheimer Erfinders Anton Flettner. Die Hattersheimer Industriegeschichte macht einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung aus.
Viele Exponate verdanken es dem unermüdlichen Einsatz des Geschichtsvereins, dass sie bis heute erhalten geblieben sind. Die stellvertretende Vorsitzende Ulrike Milas-Quirin erläuterte, dass die Ehrenamtler viel mehr Maschinen aus der Sarotti-Schokoladenfabrik gerettet hätten, als heute in die Museumshalle passen. Ausgestellt hat der Verein eine Conchiermaschine, deren große Walze zur Veredelung der Schokolade beitrug.
AUFTAKT MIT GELADENEN GÄSTEN
Zahlreiche Augen richten sich am Sonntag, 21. Mai, auf das neue Stadtmuseum. Mit der Eröffnung der Ausstellung wird gleichzeitig die hessische Auftaktveranstaltung des Internationalen Museumstages gefeiert.
Das Stadtmuseum sei „genau der richtige Ort, um den diesjährigen Museumstag vorzustellen“, meinte Dr. Bärbel Maul, stellvertretende Vorsitzende des Museumsverbands Hessen. Das Motto des Museumstages lautet „Museen, Nachhaltigkeit und Wohlbefinden“. Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen unterstützt die Hattersheimer Ausstellung mit 4000 Euro sowie die Ausrichtung des Museumstages mit 7000 Euro. Das Stadtmuseum öffnet ab 11 Uhr für geladene Gäste. Die Öffentlichkeit ist von 14 bis 17 Uhr eingeladen. sas
Laut Milas-Quirin gehen auch andere Abteilungen auf „Rettungsaktionen“ zurück - beispielsweise die Materialschränke aus früheren Gärtnereien, die im Bereich über den einstigen Rosenanbau zu sehen sind. Die Historikerin verwies auf interessante Verflechtungen zwischen den Themengebieten des Museums: Der Mitarbeiter einer Gärtnerei habe sie auf einen keltischen Bronze-Reif aufmerksam gemacht, den er auf einem der Blumenfelder fand. „Da, wo die Rosen verwelken, haben wir unsere keltische Geschichte entdeckt“, so Milas-Quirin. Museen hätten es heutzutage nicht mehr leicht mit der Vielzahl an Freizeitangeboten mitzuhalten, meinte Dr. Ulrich Adolphs vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. „Es reicht nicht mehr, nur eine Vitrine aufzustellen“, meinte der Vertreter der Landes.
Der Geschichtsverein hat dies erkannt und bei der Ausstattung des Museums auf unterschiedliche Reize gesetzt. In fast jeder Ecke gibt es Bildschirme mit Videobeiträgen - unter anderem alte Sarotti-Werbefilme und den Film „Die Strömung denken“ über die Arbeit von Anton Flettner. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Funktionsweise des Flettner-Rotors anhand eines fahrbaren Modells zu demonstrieren. Nicht immer war die Auswahl der historischen Exponate leicht. Ulrike Milas-Quirin räumte ein, dass der Sarotti-Mohr Gegenstand von Diskussionen war. Der Verein habe sich jedoch entschlossen, das politisch unkorrekte Wahrzeichen zu zeigen und Besucher zur Diskussion anzuregen. „Geschichte kann man nicht ändern. Man kann nur seine Einstellung dazu ändern“, erklärte die Historikerin.
Auch das Museumsgebäude selbst hat eine interessante Geschichte. Es handelt sich um das Werkstattgebäude der in den zwanziger Jahren gegründeten Schokoladenfabrik, die 1929 von Sarotti übernommen wurde. Als Trafostation war der Bau unter anderem für die Stromversorgung der Fabrik verantwortlich. Der Weg zur Restaurierung und Ausstattung des Gebäudes sei steinig gewesen, erklärte Bürgermeister Klaus Schindling (CDU). Erst nach mehrfachem Wechsel des Investors wurde der denkmalgeschützte Bau zugänglich gemacht. Die Stadt hat das Gebäude für 3,7 Millionen Euro erworben. Er sei froh und stolz, dass das Museum das kulturelle Leben bereichere, sagte Bürgermeister Schindling.