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„Jeder Tag Krieg ist einer zu viel“

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In dem Chor der MGV Brüderlichkeit haben auch Ukrainerinnen mitgesungen. schneider
In dem Chor der MGV Brüderlichkeit haben auch Ukrainerinnen mitgesungen. schneider © Juliane Schneider

Bei ökumenischer Andacht beten Geflüchtete aus der Ukraine und Sodener gemeinsam für den Frieden

Bad Soden - Voll besetzt ist die evangelische Kirche in Neuenhain, am Eingang gibt es für jeden eine Kerze und ein Liedblatt. Gemeinsam mit Geflüchteten aus der Ukraine hatten sich am Freitagabend Bad Sodener versammelt, um gemeinsam Fürbitte zu halten am Jahrestag des schrecklichen Überfalls. Auf dem Altar brennt noch das Friedenslicht, das die Pfadfinder in der Weihnachtszeit entzündet hatten, das eine Familie am Leuchten hält.

Frieden würde sich auch jeder hier wünschen. Denn jeder Tag Krieg sei einer zu viel, sagt Prädikantin Sabine Müller bei ihrer Begrüßung, in der sie das ökumenische Vorbereitungsteam der evangelischen, katholischen und methodistischen Gemeinde vorstellt und die Chöre des MGV Brüderlichkeit, die die Andacht gemeinsam mit Sängerinnen und Sängern aus der Ukraine gestalten. Gemeinsam singen alle ein Lied mit dem inbrünstigen Wunsch „Give me peace“.

Das Mitleiden mit den Betroffenen, aber auch das Gefühl der Hilflosigkeit drückt ein Friedensgebet aus mit der Bitte um Hilfe und den Worten: „Lass mich an die Hoffnung glauben.“ Auch Betroffene kommen während der Andacht zu Wort, die meisten verlesen vom Vorbereitungsteam. „Heute vor einem Jahr saßen wir im Keller. Es war kalt, wir hatten Hunger“, erzählt darin ein älteres Ehepaar aus Nikolajew. „Wir hörten Hubschrauber über uns, es fielen Bomben auf unsere Stadt.“ Auch in der Datscha - 15 Kilometer entfernt - habe man sich nicht sicher gefühlt.

Über die internationale Firma der Tochter sei man nach Bad Soden gelangt. Sie seien so dankbar für die Hilfe und Freundlichkeit, die ihnen hier entgegengebracht werde. Obwohl es ihnen hier sehr gut gehe, wollen sie aber wieder nach Hause, sobald es möglich sei. Zurück zu Freunden und Verwandten. „Wir Alten haben hier keine Zukunft.“

Auch Mascha (8) erinnert sich noch ganz genau an die lange Flucht. „Ich war traurig, dass Papa nicht bei uns sein konnte.“ Ansonsten gefällt es ihr aber in Bad Soden, wo sie inzwischen zur Schule geht, Bruder Daniel (5) in den Kindergarten. Mutter Nadja dankt in ihren Worten vor allem der Gastfamilie, die sie mit so viel Liebe aufgenommen habe. In der Erinnerung daran kommen ihr noch die Tränen.

Beim nächsten Chorlied zeigen die Frauen des MGV Brüderlichkeit, dass auch sie bereit sind, sich auf neue Wege zu begeben. Gemeinsam mit den Ukrainerinnen singen sie ein Lied auf Ukrainisch. Sängerin Dr. Martina Helmerich, die selbst viele Jahre in Kiew gelebt hat und die ukrainische Sprache spricht, erzählt etwas über seinen Inhalt. „Schtschedrik“, so der Titel des alten ukrainischen Volksliedes, heiße soviel wie großzügig, freigiebig. Es werde zum Neujahrsfest des alten Julianischen Kalenders, am 13. Und 14. Januar gesungen.

Doreen Zöllner vom Verein „Bad Soden hilft“ erinnert daran, wie sich im vergangenen Jahr Bad Sodener spontan zusammengetan hatten, um den Geflüchteten zu helfen. „Viele wollten mehr tun als nur Klamotten spenden.“ Schon im März war der Verein entstanden, der Laden mit Spenden in Neuenhain diene auch als Begegnungsstätte. Dringend suche man aber neue Räumlichkeiten, sagt sie am Rande der Veranstaltung. Es folgen Fürbitten für die Ukraine, Kriege in der Welt, aber auch die Erdbebenopfer werden nicht vergessen. In einem Moment der Stille zünden die Besucher Kerzen an und stecken sie in Sandschalen auf dem Altar und am Rande. Mit Orgelmusik endete die Andacht, wer wollte, konnte noch zum Gespräch verweilen.

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