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Schokoriegel zur Aufmunterung

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Mit Kartenspielen auf die Entschärfung warten: Die August-Schärttner-Halle dient auch Stanki und Renate (re.) als Unterkunft.
Mit Kartenspielen auf die Entschärfung warten: Die August-Schärttner-Halle dient auch Stanki und Renate (re.) als Unterkunft. © Sebastian Gollnow/dpa

Die Evakuierung von rund 17 000 Menschen in Hanau läuft am Sonntag weitgehend reibungslos. Gegen 15 Uhr hatte der Kampfmittelräumdienst eine Fliegerbombe erfolgreich entschärft.

Schokolade ist Nervennahrung. Und kann als Stimmungsaufheller wirken. Als gestern Mittag um kurz vor halb zwölf ein Polizeiwagen an der Hirschstraße/Mühlstraße hielt, die Tür aufging und eine Vertreterin der Polizeigewerkschaft dem Feuerwehrmann aus Klein-Auheim und einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes Schokoriegel entgegenstreckte, war das „Hallo“ groß. Die Süßigkeiten waren eine willkommene Abwechslung an diesem grau-kalten Sonntag, an dem die beiden Männer Posten an einer der unzähligen Absperrungen entlang des Gefahrenbereichs um die Bombe bezogen hatten.

Die beiden waren zwei von 700 Frauen und Männern von Polizei, Feuerwehr und Ordnungs- und Rettungsdiensten, die die Evakuierung organisierten, nachdem am Donnerstag erneut eine Weltkriegsbombe in Hanauer Stadtgebiet gefunden worden war. Die ist mit 500 Kilo doppelt so schwer wie vorige Woche der Blindgänger auf dem Industriegelände von Heraeus. 17 000 Menschen mussten diesmal ihre Wohnungen verlassen, 1000 mehr als bei der Heraeus-Bombe mit der bis dato größten Evakuierung in der Geschichte Hanaus.

Einer der Betroffenen gestern war Thomas Steigler, der am Mittag mit 380 anderen Evakuierten in der als Notunterkunft hergerichteten August-Schärttner-Halle ausharrte und auf die Entschärfung wartete. In der Früh hatte die Polizei kurz vor 9.30 Uhr bei ihm geklingelt und ihn freundlich aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. „Wir hatten da schon alles hergerichtet und waren vorbereitet“, sagt er. Anders als Bewohner:innen im Haus, die sich angeblich zunächst weigerten rauszugehen und mit der Polizei eine Diskussion anfingen.

Das waren ganz wenige Einzelfälle, sagte Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) gestern Nachmittag. „99,85 Prozent der Leute waren einsichtig“, so Kaminsky mit Augenzwinkern. Seit Freitag hatte der Rathauschef wiederholt an die Bürgerinnen und Bürger appelliert, sie sollten am Sonntag zügig der Evakuierung nachkommen. Wenige Tage zuvor hatten in Offenbach nach einem Bombenfund viele Menschen, die nicht aus ihren Wohnungen rauswollten, für stundenlange Verzögerungen bis zur Entschärfung der Bombe gesorgt.

Es war kurz nach 15.30 Uhr, als Oberbürgermeister Kaminsky gestern den Leiter des Kampfmittelräumdienstes, Alexander Majunke, umarmte. Von großer Erleichterung sprach der Hanauer Rathauschef in einer improvisierten Pressekonferenz vor einem Dutzend Medienvertretern am Rande der Baugrube am Teichweg in der Rosenau.

Dort, wo am Donnerstagabend bei Baggerarbeiten die britische 500-Kilo-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurde, war Majunke gestern mit seinen Kollegen Bodo Stahn, Norbert Schuppe und Valerio de Caro nicht mal eine Stunde zugange, dann war der gefährliche Blindgänger um 14.56 Uhr entschärft. Mit einer sogenannten Raketenklemme – ein kleiner ferngezündeter Sprengsatz – wurde der Zünder gelockert und dann entfernt. Majunke: „Der Zünder ließ sich gut ausbauen.“ Als die Medienvertreter:innen zum Ort des Geschehens durften, über den ein graues Zeltdach gespannt war, war die Bombe bereits verladen und zur Entsorgung weggebracht worden.

Dass sich die Bombe relativ leicht entschärfen ließ, so Majunke, habe mit dem guten Zustand des Zünders und mit der Lage des Blindgängers zu tun gehabt. Weil von dem Blindgänger keine Gefahr ausgegangen sei, habe man bis zur Entschärfung von Donnerstag bis Sonntag abwarten und die Evakuierung vorbereiten können.

Wie berichtet, hatte es nach einem Bombenfund auf dem Heraeus-Gelände in der vergangenen Woche bei der Entschärfung Probleme gegeben. Einer der in diesem Fall zwei Zünder ließ sich nicht lösen. Darum musste der Blindgänger, der in brisanter Lage inmitten von Industrieanlagen und in der Nähe des Stadtklinikums gefunden worden war, kontrolliert gesprengt werden. „Jede Bombe ist eben anders“, so der Leiter des Kampfmittelräumdienstes, der binnen weniger Tage in Hanau, in Offenbach und nun nochmals in Hanau tätig werden musste.

Nach der Bombenentschärfung wurde der Sperrbereich aufgehoben. Die Menschen konnten zurück in ihre Wohnungen. Der Rücktransport von Gehbehinderten, von Senior:innen und zum Teil Schwerstkranken sollte nach Planung des Krisenstabs bis in die Abendstunden abgeschlossen sein.

Die Polizei kontrolliert vor Beginn der Entschärfung, ob alle Bewohnerinnen und Bewohner das Haus verlassen haben.
Die Polizei kontrolliert vor Beginn der Entschärfung, ob alle Bewohnerinnen und Bewohner das Haus verlassen haben. © Sebastian Gollnow/dpa
Wegen der Bombe musste auch Katze Pupsi mit ihrem Herrchen das Haus verlassen.
Wegen der Bombe musste auch Katze Pupsi mit ihrem Herrchen das Haus verlassen. © Sebastian Gollnow/dpa

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