Neuer Leiter Hanauer Zeichenakademie: „Wenn wir nicht digital formen können, werden wir vielleicht noch auf Mittelaltermärkten auftreten“

Hanau Benjamin Pfister ist neuer Leiter der Staatlichen. Er plant demnächst einen Schulversuch Digitalgoldschmied.
Mit einer Höflichkeit, die man den Schweizern gerne nachsagt, entschuldigt sich Benjamin Pfister zu Beginn für mögliche Gesprächsunterbrechungen, damit er dem Ruf der Handwerker nachkommen kann, die einen Wasserschaden beheben. Aus der Ruhe bringt das den gebürtigen Züricher nicht. Vor Jahren leitete er den kompletten Umbau der Staatlichen Zeichenakademie, damals war mehr Stress. Pfister ist nach fast 20 Jahren als Lehrkraft, davon die letzten drei Jahre als Interimsschulleiter, nunmehr vom Staatlichen Schulamt zum Leiter der 1772 von Erbprinz Wilhelm IX. gegründeten Schule für Gold- und Silberschmiede ernannt worden. Drei – nicht stressfreie – Jahre gingen bis dahin ins Land.
„Das Ministerium hat so schnell gearbeitet, wie es geht“, sagt Pfister. Zwei Bewerbungsverfahren habe es gegeben, und er habe zwischenzeitlich seine Lehrerprüfung abgelegt. Mehr darüber zu reden, verbietet ihm seine Schweizer Diskretion. Als 2020 die Schwierigkeiten bekanntwurden, dass zwei Jahre nach dem Ruhestand von Gabriele Jahn-Duttenhöfer, immer noch keine Leiter:in gefunden war, hieß es aus dem Innenministerium, dass nach einem „längeren juristischen Verfahren“ die Stelle erneut ausgeschrieben werden müsse.
„Ich bin ein Sturkopf“, sagt der 53-Jährige über sich. Dass er sich nicht einschüchtern lässt, sein Ziel zu erreichen, zeigte er bereits als Schüler in der Züricher Berufsberatung. Er wolle Industriedesigner werden, sagte er der Dame. „Die Frau von der Beratung hatte keine Ahnung, was das war. Als ich ihr sagte, eine Untergruppe sei Autodesign, da meinte sie, ich müsste zuerst eine Kfz-Lehre absolvieren“, erzählt Pfister. Wenn das der Weg war, dann musste er in eben gehen, gleichwohl nach der Berufsberatung „zu Hause was los war“.
Nach dem Umweg Lehre holte er die Matura nach und besuchte die Schule für Gestaltung in Zürich. 1990 kam er nach Darmstadt, um endlich an der damaligen FH Industriedesign zu studieren. „Darmstadt hat mich sehr geprägt, es war der dortige Grundgedanke einer modernen Gesellschaft“, sagt er. Glanz in seinen Augen ruft auch Bremen hervor. Ein Begabtenstipendium brachte ihn dorthin, wo er etwa am Cateringsystem des Airbus A380 und an der Vegesacker Hafenbrücke arbeitete. „Das Schreien der Möwen und den Klang der Schiffshörner vermisse ich noch heute“, sagt der leidenschaftliche Segler, der auch den Törn im Winter nicht scheut, „wenn es richtig knattert“.
Weitere berufliche Stationen sind etwa Designmanager bei der Bahn zum Auftritt bei der Weltausstellung 2000 oder als Artdirector einer Agentur in Frankfurt. Seit 2002 unterrichtet Pfister in der Zeichenakademie, einer der ältesten Gold- und Silberschmieschulen in Europa und einer der letzten in Deutschland.
Pfister macht deutlich, dass Tradition allein nicht die Zukunft der Schule sichert. Die Zeichenakademie werde sich mehr mit anderen Schulen vernetzen, auch international. Die im Haus untergebrachte, seit 2021 bestehende Brüder-Grimm Berufsakademie für Design und Innovationsmanagement ist so ein Netzknoten, heißt es. Auch wird die Digitalisierung an der Zeichenakademie nicht vorbeigehen. Pfister schaffte bereits früh erste 3D-Drucker an. „Wir planen demnächst einen Schulversuch Digitalgoldschmied“, sagt er. „Wenn wir nicht digital formen können, werden wir vielleicht noch auf Mittelaltermärkten auftreten“, sagt Pfister. Der Computer sei nur ein Helfer, aber kein Ersatz für handwerkliches Arbeiten und Zeichnen. „Design fordert komplexes Denken“, das künftig selbst die klassische Handskizze nicht entbehrlich macht, sagt Pfister.