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Gegen Vorurteile

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Von: Detlef Sundermann

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Die Schau soll dazu beitragen, die Akzeptanz der Spätaussiedler in Hanau zu verbessern.
Die Schau soll dazu beitragen, die Akzeptanz der Spätaussiedler in Hanau zu verbessern. © Rolf Oeser

Die Ausstellung „Deutsche in Russland“ im Neustädter Rathaus soll helfen, Vorurteile abzubauen. Die Ausstellungsmacher wollen aber auch über die Geschichte einer ethnischen Minderheit und das Leid, das sie durchlitten hat, informieren

„Ja, die Vorurteile der Deutschen gegenüber den Aussiedlern und umgekehrt stimmen“, sagt Rathausbesucherin Olga Aydin und lächelte dabei. Die Frau, die vor 25 Jahren mit ihren drei Geschwistern und den Eltern aus Kasachstan nach Hanau kam, huscht mit den Augen über die lange Liste der gegenseitigen Ressentiments, etwa dass die Aussiedler kein Deutsch sprechen wollen oder lieber unter sich bleiben. Beides trifft für die 32-Jährige nicht zu. Sie spricht einwandfreies Deutsch und ist mit einem Türken verheiratet.

Der Abbau von Vorurteilen ist nur ein Abschnitt der Ausstellung „Deutsche aus Russland“. Es geht um die Geschichte der ethnischen Minderheit, deren erlittenes Leid seit Beginn des 20. Jahrhunderts und deren Auswanderung nach Deutschland. Konzipiert hat die Wanderausstellung die Landsmannschaft der Deutschen in Russland, Stuttgart. Die Dokumentation ist Teil eines Integrationsprojektes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg. Das Thema wird auf Info-Wänden dargestellt. Die Aufbereitung erfolgt in Erläuterungen und Lebenserinnerungen Einzelner sowie in Bildern und Fotografien. Zurzeit ist die Schau in sechs Orten in den Bundesrepublik parallel zu sehen. Anlass ist 250 Jahre Einwanderung von Deutschen in Russland, mit denen die deutschstämmige Zarin Katharina II. eine sogenannte Peuplierungspolitik betrieb, um verwaiste Gebiete zu besiedeln und das Reich somit zu festigen.

Anlass für die Stadt, die Ausstellung zu übernehmen, sei zum einen die nicht geringe Zahl der Spätaussiedler in Hanau, die jüdische Gemeinde, die auch aus Russlanddeutschen besteht, die städtepartnerschaftlichen Beziehungen zu Jaroslawel und das Thema Integration allgemein, sagte Sozialdezernent Axel Weiss-Theil (SPD) zur Eröffnung. Wie viele Spätaussiedler in Hanau leben, lässt sich ob des deutschen Passes dieser Menschen nicht sagen. Jedoch, 36 Prozent der Hanauer Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund und 21 Prozent der Hanauer sind „Ausländer“, sagte Weiss-Thiel. Er betonte, in Hanau leben Menschen aus ungefähr 140 Nationen.

Prominente Beispiele

Der Stadtrat äußerte die Zuversicht, „dass die Präsentation im Stadtladen in den kommenden beiden Wochen zur Verbesserung der Akzeptanz der deutschen Spätaussiedler in Hanau beitragen wird“.

Ein Wunsch, den auch Besucherin Olga Aydin und ihre Mutter Maria Gettmann haben. „Den Vorwurf, Russlanddeutsche würden mit Steuergeld ihre Häuser bauen, kann ich nicht mehr hören“, sagte Aydin.

Schon in der Schule habe sie gehässige Anspielungen erfahren. Als Zwölfjährige habe sie ein älterer Mann angeschnauzt, sie solle wieder nach Russland verschwinden. Für Olga Aydin ist die Ausstellung ein Pflichtbesuch wegen ihrer Herkunft. Sie erforsche ihre Familienlinie und die ihres türkischen Mannes, damit der junge Sohn später seine Wurzeln kennt, so Aydin.

Dass Aussiedler auch eine gesellschaftliche Bedeutung erlangt haben, zeigt die Wanderausstellung mit prominenten Russlanddeutschen in Sport, Kultur, wie die Leichtathletin Lilli Schwarzkopf, die Boxerin Ina Menzer und die Schlagersängerin Helene Fischer. Auch statistische Angaben sollen den Betrachter beispielsweise vom Fleiß der insgesamt mehr als zwei Millionen Aussiedler – und ab 1993 Spätaussiedler – überzeugen. Laut einer Bundesstatistik von 2007 sind 73,7 Prozent der Deutschrussen berufstätig, bei anderen Zuwanderungsgruppen soll die Quote hingegen bei 65,9 Prozent liegen.

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