Anschlag von Hanau: „Vermeintliches Problem“ mit Polizeivideo
Der Hanau-Ausschuss erklärt den Abbruch der jüngsten Sitzung mit rechtlichen Gründen. Betroffene und das Recherchekollektiv Forensic Architecture kritisieren das Vorgehen.
Hanau – Das vorzeitige Ende der Sitzung des Hanau-Untersuchungsausschusses, in der es um Aufnahmen eines Polizeihubschraubers in der Anschlagsnacht gehen sollte, hat Kritik ausgelöst. Said Etris Hashemi, der die rassistischen Attentate am 19. Februar 2020 knapp überlebte und dessen Bruder Said Nesar ermordet wurde, erklärte: „Wieder einmal werden Punkte vorgeschoben, um die so notwendige Aufklärung auszubremsen.“ Ein im Internet allen zugängliches Video sei „auf einmal geheim“, und die Zeugen könnten nicht öffentlich befragt werden.
Der Termin am Freitag (2. Dezember) war nach nicht einmal zwei Stunden beendet, wobei das Gremium lange hinter verschlossenen Türen tagte. Der Ausschussvorsitzende, Marius Weiß (SPD) hatte bereits eingeräumt, dass der Abbruch nicht leicht nachzuvollziehen sei. Allerdings habe es dafür klare rechtliche Gründe und bislang keine Lösung gegeben.
Hanau-Attentat: „Aufklärung ausgebremst“
Der Generalbundesanwalt (GBA) habe das gesamte Helikoptervideo als vertraulich eingestuft. Daher könne es nicht öffentlich behandelt werden, so Weiß, ebenso wie ein Video des Recherchekollektivs Forensic Architecture (FA), das Teile der Aufnahmen enthält und sich kritisch mit dem Polizeieinsatz auseinandersetzt.
Die Tatsache, dass das Material von FA seit Monaten online ist, ändere nichts an der Lage. Alle Zeug:innen hätten nicht-öffentlich gehört werden können. Doch stattdessen wolle der Ausschuss jetzt beim GBA erreichen, dass der Geheimhaltungsgrad gesenkt wird.

Die Initiative 19. Februar, der Betroffene und Unterstützer:innen angehören, fragte, weshalb sich das Gremium nicht früher mit dem „vermeintlichen Problem“ beschäftigt und es gelöst habe. Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sprach von einem neuen Tiefpunkt bei der parlamentarischen Aufklärung des Anschlags, bei denen neun Menschen erschossen wurden.
Anschlag von Hanau: Hubschrauber kannte Täteradresse nicht
Als Vertreter von FA war der aus Berlin angereiste Robert Trafford als Zeuge geladen. FA teilte auf FR-Anfrage mit: Das Recht von Journalist:innen und Forscher:innen, vertrauliches Material zu veröffentlichen, das von öffentlichem Interesse ist, sei geschützt. Die FA-Analyse der Aufnahmen belege beispielsweise, dass das Täterhaus nicht richtig gesichert gewesen sei und die Hubschrauberbesatzung nicht mal die Adresse erfahren habe.
Der Ausschuss wisse seit etwa sechs Monaten von den Videos, weshalb der Abbruch am Freitag und das Timing mehr als erstaunlich seien. Entweder handele es sich um Fahrlässigkeit oder liege an Teilen des Ausschusses, die nicht wollten, dass Fehler in Zusammenhang mit dem Anschlag aufgezeigt würden. Es lasse auf mangelnden Respekt gegenüber den Opferfamilien schließen, die nach Wiesbaden gekommen seien, um Antworten zu erhalten.
Hanau: Untersuchungsausschuss zum Attentat nimmt zweiten Tatort in den Blick
Während der nächsten Sitzung am Montag soll der Betreiber der Arena-Bar, dem zweiten Tatort, vernommen werden. Der Notausgang dort war offenbar auch in der Tatnacht verschlossen. Weil die Opfer davon gewusst haben sollen, seien sie nicht zur Fluchttür gerannt, sondern suchten hinter einer Säule vergeblich Schutz.
Der Wirt weist alle Vorwürfe zurück, auch jenen, die Tür auf Anweisung der Polizei versperrt zu haben, damit diese es bei Razzien leichter hatte. Neben dem Wirt wird der einstige Besitzer des angrenzenden Kiosks befragt. (Gregor Haschnik)