„Es geht um Teilhabe, um Identität“

Franziska Nori über Politik im Kunstkontext und die Ausstellung „Three Doors“ im Frankfurter Kunstverein.
Frau Nori, die Ausstellung „Three Doors“ präsentiert Ergebnisse der unabhängigen Rechercheagentur Forensic Architecture/Forensis im Zusammenhang mit dem Terrorattentat in Hanau am 19. Februar 2020. Wie ist es dazu gekommen?
Die Ausstellung entsteht als Zusammenschluss unterschiedlicher Akteur:innen, die wir im Kunstverein zusammengebracht haben: Forensic Architecture und deren Schwesteragentur Forensis Berlin, die Initiative 19. Februar Hanau, die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Journalisten und nicht zuletzt wir als Kunstinstitution.
Was ist im FKV zu sehen?
Bildwissenschaftliche und forensische Untersuchungen der Forensic Architecture, die neue Erkenntnisse zu ungeklärten Fragen liefern, zehn Filmporträts von Überlebenden und Angehörigen der Opfer, in denen sie ihre Fragen an den Hessischen Untersuchungsausschuss zum Attentat von Hanau erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Ergänzt wird die Präsentation durch die journalistische Aufarbeitung in einer siebenteiligen Audio-Dokumentation in Kooperation mit dem SWR2.
Wieso ist der Frankfurter Kunstverein der richtige Ort für politische Aufklärung?
Zur Person
Franziska Nori leitet den Frankfurter Kunstverein.
Weil es sich um eine Kulturinstitution handelt, die sich als Ort für kritische, aber notwendige Debatten versteht. Weil wir bewusst an der Schnittstelle zwischen den Wissenschaften und der Kunst arbeiten. Weil die Realität zu komplex geworden ist, um aus einer Perspektive allein Diskurs und Handlung abzuleiten. Es geht immer mehr um eine kollektive Wahrheitsfindung. „Three Doors“ ist ein Beitrag zu einem jetzt stattfindenden gesellschaftlichen Veränderungsprozess. Es geht um Teilhabe, um Dazugehörigkeit, aber auch um die Identität einer diversen Gesellschaft, in der alle dieselben Rechte haben sollen, egal welchen Namen wir tragen, jenseits von Rassifizierung. Und es geht um die Fragen, welche Gesellschaftsform die Teilhabe aller ermöglicht, wer Entscheidungen trifft, wer die öffentlichen Foren zur Verbreitung von Meinungen besetzt und welche Kriterien die Grundlage für Rechtsprechung bilden.
Was können die Künstler:innen und Architekt:innen des Kollektivs, was Wissenschaftler:innen, Techniker:innen, Jurist:innen nicht können?
Es geht darum, eine Lücke zu füllen, die durch behördliches Fehlverhalten und staatliche Untersuchungen entstand, auf die es keine ausreichenden Antworten gibt. Antworten, die wir den Opfern rassistischer Gewalt inmitten unserer Gesellschaft schuldig sind. Es geht um eine Gegenerzählung über die Geschehnisse in Hanau, um Sichtbarkeit für die Opfer zu schaffen und deren Rechte zu stärken.
Wie verstehen Sie den Auftrag von Kunst?
Kunst weiß um die Macht von Bildern. Und Bilder sind die Sprache unserer Zeit. Sie transportieren Informationen, die sichtbar gemacht werden, aber einer Deutung bedürfen. Der Frankfurter Kunstverein steht für eine erweiterte Rolle von Kunst und von Kulturinstitutionen, welche die rein metaphorische und symbolische Ebene verlassen, um im realen demokratischen Prozess zu agieren, demokratische Strukturen zu verteidigen und die Werte unserer Zivilgesellschaft zu stärken.
Interview: Sandra Danicke