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Gastbeitrag
Gleiche Chancen für alle jungen Menschen
GEW-Vorsitzende Maike Wiedwald fordert, mehr für junge Menschen zu tun, die sozial benachteiligt sind. Die Pandemie zeige die Problematik wie im Brennglas.
Die Abhängigkeit der Bildungschancen vom sozialen Hintergrund zumindest bedeutsam zu mildern, ist kein neues Ziel. Dafür stand insbesondere die Bildungspolitik von Kultusminister Ludwig von Friedeburg vor mehr als 50 Jahren. Damals wurden Gesamtschulen eingeführt, um das gegliederte Schulsystem der Kaiserzeit zu überwinden. Es ist egal, ob junge Menschen Deutsch sprechen können oder nicht, ob sie ein Handicap haben oder nicht, ob sie männlich oder weiblich sind oder einfach nur mehr Zeit zum Lernen brauchen – es bleibt das Gebot der Stunde, offensiv für gleiche Chancen für alle jungen Menschen einzutreten.
Hessen, was wird aus dir?
Dieser Frage widmen sich Persönlichkeiten in Gastbeiträgen aus vielen Blickwinkeln. Die Reihe eröffneten zahlreiche Gastbeiträge in unserem Jubiläumsheft „75 Jahre Frankfurter Rundschau und Hessen“. Weitere folgen hier im Regionalteil.
Die Pandemie zeigt die Strukturprobleme des Schulsystems wie im Brennglas: Wieder einmal sind es die Benachteiligten, die durch den Lockdown abgehängt werden. Eine isolierte Förderung in besonderen Angeboten oder in besonderen Schulen hilft jedoch nicht weiter. Bildungspolitik muss an den Schulen mit „hohen sozialen Herausforderungen“ besonders gute Bedingungen schaffen. Hierzu gehören u.a. kleine Klassen, Doppelbesetzung, multiprofessionelle Teams, Ganztagsschulen und sozialpädagogische Angebote.
Eine solidarische und demokratische Gesellschaft ist mit sozialer Benachteiligung beim Zugang zur Bildung nicht vereinbar. Inklusive Bildung benötigt inklusive Schulen, die differenziert und durchlässig sind und kein Kind zurücklassen. Eine Schule für alle ist und bleibt unsere Vision. Die Grundschulen und integrierten Gesamtschulen zeigen, dass gemeinsames Lernen allen zugutekommt. Doch auch sie werden in die Hierarchie des selektiven Schulsystems gezwängt. In einem ersten Schritt müssen Abschulungen, in Hessen vornehm als „Querversetzung“ bezeichnet, unterbleiben: Jede Schule führt alle aufgenommenen Schülerinnen und Schüler zu einem Abschluss!
Die ungleiche Verteilung der Bildungschancen wird dem Gleichheitsgebot, das die Hessische Verfassung in Artikel 1 postuliert, nicht gerecht und ist eine wesentliche Ursache für die Spaltung der Gesellschaft. Es wird Zeit, das endlich zu verändern!