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Literarische Zeitenwende

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Für ihren Debüt-Roman „Kangal“ erhält Anna Yeliz Schentke den Förderpreis. PRIVAT
Für ihren Debüt-Roman „Kangal“ erhält Anna Yeliz Schentke den Förderpreis. PRIVAT © nn

Hölderlin-Preis geht an Leif Randt / Förderpreis für hochaktuellen Roman zur Türkei

BAD HOMBURG - Sprache, Kommunikation, Literatur: Alles ist im Wandel. Und das nicht erst seit gestern. Grass war nicht Schiller, Grimmelshausen nicht von der Aue. Das Spektrum dessen, was in deutscher Sprache schon alles handschriftlich, gedruckt oder elektronisch formuliert wurde, ist beachtlich und wächst mit jedem Jahr.

Bereits seit 40 Jahren wird in Bad Homburg der Friedrich-Hölderlin-Preis verliehen, der einst eingeführt wurde, um die erhitzten Gemüter nach dem Abriss des Hölderlinhauses in der Dorotheenstraße zu besänftigen und an Hölderlins Erbe in der Kurstadt zu erinnern und daran anzuknüpfen. Ja, der damalige Mitinitiator, Oberbürgermeister Wolfgang Assmann (CDU) erhoffte sich gar eine „Schub für die geistige Stadtentwicklung“, wie Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU) im Rahmen der Pressekonferenz zur Bekanntgabe der aktuellen Preisträger sagte.

Die Historie ist wichtig, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten. Das gilt auch für den Hölderlinpreis, der schon an Größen wie Martin Walser, Ernst Jandl oder den ersten Jury-Chef Marcel Reich-Ranicki verliehen wurde. Dieses Jahr geht der mit 20 000 Euro dotierte Preis an den erst 40 Jahre alten Leif Randt, einen gebürtigen Maintaler, der bislang vier Romane vorgelegt hat und als Vertreter einer „neuen Generation der Popliteratur“ gilt, „die neben Konsum und Oberfläche vor allem die sozialen Medien zum selbstverständlichen Diskursinventar ihrer Bücher macht und das Internet als ästhetischen Gestaltungsraum begreift“, heißt es in der Begründung. Die Jury hatte sich am Freitag auf Randt als Preisträger verständigt.

So schaffe der 2020 veröffentlichte Roman „Allegro Pastell“ das Kunststück, „eine Liebesgeschichte zu erzählen, die von den Style-Geboten der Gegenwart bestimmt wird und zu nicht unwesentlichen Teilen aus WhatsApp-Kommunikation besteht“ und unter anderem für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Randt gilt als die Stimme der Millennial-Generation, veröffentlichte ab 2005 erste Prosatexte und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Nicolas-Born-Debütpreis (2010), dem Düsseldorfer Literaturpreis (2012) und dem Erich-Fried-Preis (2016). Randt studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim und London und ist seit 2022 Poetik-Dozent an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. „Es gibt nur wenige Literaturpreise, die das Gesamtwerk eines Autors oder einer Autorin prämieren“, hob Kulturamtsleiterin Dr. Bettina Gentzcke hervor. „Die meisten Preise zeichnen nur ein singuläres Werk aus. Beim Hölderlinpreis liegt der Fokus auf dem gesamten Schaffensprozess, schon deshalb ragt der Friedrich-Hölderlin-Preis unter anderen Preisen heraus.“

Der mit 7500 Euro dotierte Förderpreis geht an die Frankfurterin Anna Yeliz Schentke, deren Debüt-Roman „Kangal“ aus dem vergangenen Jahr der Jury als „aktuelles, sensibles und vielstimmiges Generationenporträt junger deutsch-türkischer Menschen“ aufgefallen ist. Sie geht darin auf die repressiver werdende Gesellschaft in der Türkei ein, aber auch auf die Klischees in der Bundesrepublik. „Eine hochpolitische Literatur, die nie den Finger hebt, sondern in unaufgeregtem Ton und mit genauen Bildern ganz auf der Höhe der Zeit erzählt“, so die Einschätzung der Jury. Schentke, Jahrgang 1990, studierte an der Frankfurter Goethe-Uni Literaturwissenschaft. Die Relevanz des Romans „Kangal“ ergebe sich, so eine Rezension, „nicht aus dem Inhalt - der politischen Situation nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei -, sondern durch Schentkes Erzählweise.

Leif Randt hat bislang vier Romane vorgelegt und bekommt den Friedrich-Hölderlin-Preis. dpa
Leif Randt hat bislang vier Romane vorgelegt und bekommt den Friedrich-Hölderlin-Preis. dpa © picture alliance/dpa

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