Landgericht Frankfurt: Leichtes Spiel für NSU 2.0
Ehemaliger Polizeibeamter des 1. Reviers gibt Einblick in einst laxen Umgang mit Daten. Auch Chatgruppen im Fokus der Zeugenbefragung.
Lasche Sicherheitsvorkehrungen am Computer, leichtgläubige Auskünfte am Telefon: Ein ehemaliger Beamter des 1. Polizeireviers hat vor dem Landgericht Einblick in den dortigen Polizeialltag im Jahr 2018 gegeben. Im Prozess um die Drohmailserie NSU 2.0 waren am Donnerstag ausschließlich Beamt:innen geladen, die im August 2018 auf dem 1. Revier tätig waren. Die Nebenklage hatte die Vernehmungen beantragt, weil sie davon ausgeht, dass der Angeklagte Alexander M. nicht für alle Schreiben verantwortlich ist. Vielmehr soll ein Beamter des 1. Reviers am 2. August 2018 das erste Drohfax verschickt haben, glaubt Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, die die Adressatin Seda Basay-Yildiz in der Nebenklage vertritt. Etwa anderthalb Stunden, bevor das Fax verschickt wurde, waren aus dem 1. Revier mehrere Daten zu Basay-Yildiz abgerufen worden.
Geladen waren am Donnerstag aber weder der laut Nebenklage verdächtige Beamte noch die Kollegin, die zum Zeitpunkt der Abfrage am betreffenden Computer im Revier eingeloggt war. Dafür gab der Beamte W. Auskunft, der am 2. August 2018 mit dem fraglichen Kollegen auf Streife gewesen war. Anhand eines „Funkwagenauftragsblatts“, konnten die Prozessbeteiligten nachvollziehen, dass die beiden Beamten an jenem Sommertag eher kleinere Einsätze gehabt hatten und nicht viel los gewesen war. Die Beweiskraft des Dokuments ist allerdings überschaubar, denn die Angaben zur Uhrzeit dürfen nachträglich und somit aus der Erinnerung heraus ungefähr angegeben werden. Daher ist unklar, wo genau die Streife war, als die Daten am frühen Nachmittag abgerufen wurden.
Der Beamte gab in seiner gut zweieinhalbstündigen Vernehmung aber auch umfassend Auskunft über den Umgang mit Polizeiabfragen auf dem 1. Revier. Dafür standen demnach zwei Computer zur Verfügung. Da das Aus- und Einloggen aber zeitaufwendig gewesen sei, hätten die Beamten meist die Accounts derjenigen genutzt, die sich am Morgen als Erste eingeloggt hätten. Die dafür erforderlichen Passwörter der Kolleg:innen seien bekannt gewesen oder hätten am Computer gestanden. So musste der Zeuge auch einräumen, dass er an jenem Tag zu einer Uhrzeit am Computer eingeloggt war und eine Abfrage tätigte, als er laut Funkwagenauftragsblatt eigentlich auf Streife war.
Auch zum Umgang mit externen Datenabfragen gab der Beamte Auskunft. Bei telefonischen Anfragen sei beim Anrufer auf die Wortwahl und übliche Abkürzungen geachtet worden. Da sei aber auch „sehr viel auf Vertrauensbasis“ gelaufen. Beim Umgang mit den Abfragen gab es laut W. seinerzeit „eine gewisse Leichtgläubigkeit, wenn ich das heute rekapituliere“.
Viel Zeit nahm auch die Befragung zu diversen Chatgruppen des 1. Reviers in Anspruch. W. räumte ein, einige Posts in der eigentlich zu Dienstzwecken genutzten Chatgruppe „Suzy, Homies and friends“ seien „dezent daneben“ gewesen. Posts, die Anwältin von der Behrens als antisemitisch und rassistisch einstufte, bezeichnete der Zeuge als „ganz schwarzen Humor“. Als ihm mehrere Posts und eingestellte Bilder am Richtertisch vorgehalten wurden, von denen er für einige auch selbst verantwortlich sein soll, sagte W.: „Wenn man das in der großen Summe sieht, ist das drüber“.
Im Anschluss sagte W.s damaliger Dienstgruppenleiter aus. Zur Chatgruppe befragt, sagte der mittlerweile pensionierte Beamte, er habe dort selbst ab und an Sachen eingestellt, „wenn’s lustig war“. Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.