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Votum von Schwarz-Grün mit der AfD in Hessen sorgt für Unmut

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Von: Pitt von Bebenburg

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Lübcke-Untersuchungsausschuss im Landtages
Die Abstimmungen im Lübcke-Untersuchungsausschuss in der vorigen Woche fanden in geheimer Sitzung statt. © Andreas Arnold /dpa (Archivbild)

CDU und Grüne in Hessen haben erstmals Abstimmungen nur mit Stimmen der AfD gewonnen. Die SPD spricht von einem „Tabubruch“. Die Koalitionsparteien argumentieren mit dem Schutz einer Zeugin, der sie sich verpflichtet sahen.

Wiesbaden - Im hessischen Landtag schlagen die Wellen hoch, nachdem CDU und Grüne erstmals Abstimmungen nur mit Hilfe von Stimmen der AfD gewonnen haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Günter Rudolph, sprach am Mittwoch (1.12.2021) in Wiesbaden von einem „Tabubruch“.

Grüne und CDU bekräftigen Credo „nicht mit der AfD“

CDU und Grüne versicherten, dass ihre grundsätzliche Haltung nach wie vor bestehe, keine Mehrheiten zu bilden, wenn diese von Stimmen der AfD abhängig seien. „Daran hat sich nichts geändert“, betonte die Grünen-Innenpolitikerin Eva Goldbach. Holger Bellino, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, sagte: „In politischen Fragen gilt weiterhin unser Credo, nicht mit AfD und nicht mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten.

Es geht um ein heikles Thema, weswegen die Abstimmungen im Lübcke-Untersuchungsausschuss in der vorigen Woche in geheimer Sitzung stattfanden, aber jetzt doch ans Tageslicht kamen. Der Ausschuss, der sich mit der Arbeit der hessischen Sicherheitsbehörden vor dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) im Jahr 2019 befasst, will nach FR-Recherchen Mitte Dezember eine Zeugin vernehmen, die früher Informationen aus der rechten Szene für das hessische Landesamt für Verfassungsschutz besorgt hat.

Andere Möglichkeiten, für Sicherheit zu sorgen?

Dem Vernehmen nach drangen CDU und Grüne darauf, die Frau für eine Vernehmung hinter verschlossenen Türen zu laden, um sie vor Nachstellungen zu schützen. SPD, FDP und Linke vertraten hingegen die Auffassung, dass es auch andere Möglichkeiten gebe, die Sicherheit der Zeugin zu gewährleisten. Sie wollten erreichen, dass die Zeugin in öffentlicher Sitzung aussagt.

Untersuchungsausschuss

Im Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags stehen Mitte Dezember die nächsten öffentlichen Sitzungen an.

Am Mittwoch, 15. Dezember, werden in öffentlicher Sitzung unter anderem zwei langjährige Mitglieder der nordhessischen Neonaziszene vernommen. Daneben ist die nicht öffentliche Vernehmung einer Zeugin geplant, über die politisch gestritten wird.

Für Donnerstag, 16. Dezember, sind Polizeibeamte sowie ein weiterer Zeuge aus der rechten Szene in öffentlicher Sitzung geladen. pit

Da der Ausschluss der Öffentlichkeit nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden kann, war die schwarz-grüne Koalition auf die Stimmen der beiden AfD-Abgeordneten im Ausschuss angewiesen. Der Vorgang hätte eigentlich nicht öffentlich werden sollen, weil mit den Stimmen von CDU, Grünen und AfD beschlossen worden war, auch die Beratungen über die Verfahrensfragen als geheim einzustufen. Doch am Mittwoch wurde der Vorgang durch einen Bericht der HNA* bekannt. Sozialdemokrat Rudolph sagte, vor allem die Grünen müssten sich kritische Fragen gefallen lassen, da sie öffentlich stets bekundeten, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben dürfe. Das Verhalten der CDU kommentierte der SPD-Mann mit den Worten: „Bei der CDU überrascht mich fast gar nichts mehr.“

CDU macht „verfassungsrechtliche Gründe“ geltend

Die schwarz-grüne Koalition dreht den Spieß um. Sie wirft SPD und FDP vor, mit ihrer Forderung nach einer öffentlichen Vernehmung die Gefährdung der betroffenen Person in Kauf zu nehmen. CDU-Politiker Bellino sagte der FR, dem Ausschuss habe „kein politisches Ermessen“ zugestanden. Er sei vielmehr „aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet“, dem Gesuch nach Sicherheit für die Zeugin zu entsprechen. „Ein Vergleich mit einer Wahl, bei der Abgeordnete völlig frei entscheiden können, verbietet sich daher“, befand der Christdemokrat.

Die Grünen-Abgeordnete Goldbach kündigte an, ihre Fraktion werde das Gespräch mit allen Fraktionen außer der AfD suchen, um solche Abstimmungen in Zukunft zu vermeiden. Bisher habe zwischen allen Fraktionen Einigkeit geherrscht, dass bei Vorliegen einer Gefährdung die Person nicht öffentlich befragt werde. Wenn die Opposition „diesen Grundkonsens“ verlasse, müsse darüber gesprochen werden, wie die Lage zu lösen sei, ohne dass eine Mehrheit mit Hilfe der AfD zustande komme.

Lesen Sie dazu

Der FR-Kommentar von Pitt von Bebenburg

Gemeinsame Erklärung von SPD, FDP und Linken

Die Oppositions-Obleute Rudolph, Stefan Müller (FDP) und Hermann Schaus (Linke) widersprachen der Darstellung der Regierungsparteien. In einer gemeinsamen Erklärung schrieben sie, es hätte „andere Lösungsmöglichkeiten gegeben, die Person unter Wahrung ihrer Schutzinteressen auch öffentlich zu vernehmen“. Zudem wiesen sie auf die große Bedeutung der Öffentlichkeit in Untersuchungsausschüssen hin, die selbst Verfassungsrang habe. (Pitt von Bebenburg)*hna.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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