Volksherrschaft

Demokratie ist nicht selbstverständlich und muss immer wieder erkämpft werden. Und manchmal ist sie frustrierend oder einfach eine große Party. Die Kolumne aus dem hessischen Landtag.
Wiesbaden - Demokratie ist vor allem eine riesige Party. Diesen Eindruck bekam man diese Woche auf dem Frankfurter Römerberg. Am Donnerstag quoll der über vor Menschen, es gab Luftballons, Bier, Schaschlik vom Grill und fette Beats. Zum 175. Jubiläum des ersten Zusammentretens der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche ließ Frankfurt sich überhaupt nicht lumpen und stellte passend zur Regierung des Volkes durch das Volk ein ordentliches Fest des Volkes für das Volk auf die Beine. Das Wetter war gut, die Stimmung prächtig, auch wenn man sich im Rummel hier und da fragen konnte, ob das nicht einfach nur das Museumsuferfest 2.0 ist und mit demokratischer Revolution eher wenig zu tun hat.
Demokratie muss erkämpft werden. Das wurde in den Festreden in der Paulskirche deutlich, wo sich alles versammelt hatte, was Rang und Namen hat: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU). Steinmeier würdigte die Rolle der Barrikadenkämpfe für die Demokratiebewegung und benutzte das Wort „Revolution“ öfter als in allen seinen bisherigen Reden zusammen. Boris Rhein versuchte sich als Feminist, lobte den Frauenfußball und betonte den Beitrag demokratisch gesinnter Frauen im Vormärz, auch wenn diese in der rein männlich besetzten Nationalversammlung zu Unrecht „noch nicht einmal mitgemeint“ gewesen seien.
Paulskirchenfest in Frankfurt: Fest der Demokratie, Fest des Ehrenamts
Demokratie ist nicht selbstverständlich. Das wurde nicht nur beim Paulskirchen-Jubiläum betont, sondern auch am Dienstag im Schloss Biebrich. An einem lauen Sommerabend hatten der Hessische Landtag und die Landesregierung das erste Mal zu einem „Ehrenamtsfest“ nach Wiesbaden geladen, um die Menschen in Hessen zu würdigen, die sich für andere engagieren. Die Freiwillige Feuerwehr war da, das THW, die DLRG, Leute vom Rettungsdienst und dazu fast da ganze Landeskabinett und viele Abgeordnete.
Parlamentspräsidentin Astrid Wallmann sagte, ohne ehrenamtliches Engagement würde in Hessen „alles zusammenbrechen“. Und Boris Rhein betonte, Demokratie sei ohne aktive Bürger:innen undenkbar. Sie brauche eben Leute, „die mitmachen, die anpacken“. Und später packten dann wirklich alle ordentlich an, und zwar am Büfett. Der hessische Regierungschef trinkt übrigens Rosé.
Manchmal ist Demokratie frustrierend
Demokratie ist frustrierend. Das zeigte sich diese Woche im Untersuchungsausschuss zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Da der Landtag sich 2020 auf neue Regeln für Untersuchungsausschüsse geeinigt hat, ist der offizielle Berichterstatter das erste Mal von der Opposition, nämlich von der SPD. Und nachdem das Gremium fast drei Jahre lang Zeug:innen befragt hat, hat der seinen Job gemacht, also seinen Bericht vorgelegt.
Und siehe da: Dieser freche Sozialdemokrat hat gar nicht wörtlich das geschrieben, was die Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen geschrieben hätten! Das können die natürlich nicht hinnehmen und haben auf die Schnelle einen eigenen Bericht verfasst. Und jetzt gibt es zwei dicke Wälzer, aus denen irgendwie einer werden muss. Und keiner weiß, wie das gehen soll.
Im Zweifel entscheidet die Mehrheit
Aber zum Glück hat Demokratie auch Regeln. Zum Beispiel: Im Zweifel entscheidet die Mehrheit. Und die liegt in Hessen immer noch bei Schwarz-Grün. Die nächste Landtagswahl ist ja erst am 8. Oktober. Demokratie ist manchmal praktisch. (Jutta Rippegather und Hanning Voigts)
Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf