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Nach dem Urteil: Völlig neue Besoldung für Hessen verlangt

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Von: Pitt von Bebenburg

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Heini Schmitt
Heini Schmitt, Vorsitzender des dbb Hessen © dbb Hessen

Der hessische dbb-Chef Heini Schmitt fordert nach dem VGH-Urteil eine völlig neue Besoldungsstruktur für die Beamtinnen und Beamten. Er hält eine „enorme Kraftanstrengung“ des Landes für nötig

Zahlreiche hessische Beamtinnen und Beamte können mit mehr Geld rechnen. Das ist die Konsequenz aus einem Urteil, das ein Beamter mit Unterstützung des Deutschen Beamtenbundes (dbb) Hessen am Dienstag vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) erstritten hat. Der dbb-Landesvorsitzende Heini Schmitt erklärt im FR-Interview, was der Richterspruch aus seiner Sicht bedeutet. Er reagiert auch auf eine erste Reaktion von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der darauf hingewiesen hatte, dass eine abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch ausstehe.

Herr Schmitt, welche Beamtinnen und Beamten profitieren von dem Urteil?

Nach unserer Bewertung muss nun annähernd die gesamte Besoldungsstruktur angepackt werden, denn die Unteralimentation hat ein solches Ausmaß, dass es keinesfalls ausreichen wird, nur die unteren Besoldungsgruppen deutlich anzuheben. Das wird auch daran deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof gestern in weiteren Verfahren festgestellt hat, dass die Besoldung eines Professors in W 2 verfassungswidrig ist.

Betrifft das Urteil nur Bedienstete, die Widerspruch eingelegt haben, oder alle?

In zwei Urteilen des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020, die sich auf andere Bundesländer bezogen, wurde jeweils festgelegt, dass die Kläger selbst sowie alle Beamten, die gültige Rechtsmittel gegen die Festsetzung ihrer Besoldung eingelegt hatten, rückwirkend entschädigt werden müssen. Wir müssen die schriftlichen Urteilsgründe abwarten, um zu sehen, ob der VGH hierzu eine Entscheidung trifft und welche.

Welche Nachzahlung für die vergangenen Jahre kommt auf das Land Hessen zu?

Auch hier müssen wir das schriftliche Urteil des Gerichts abwarten. Außerdem ist uns die Zahl der Beamten, die Rechtsmittel eingelegt hatten, nicht bekannt.

Zur PErson

Heini Schmitt steht seit 2015 an der Spitze des Deutschen Beamtenbundes (dbb) Hessen. Der 60-jährige Polizist, der Mitglied der CDU ist, war zuvor 15 Jahre lang Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und ist heute deren Ehrenvorsitzender. Der dbb Hessen hat die auf höhere Besoldung klagenden Beamten bis zum Verwaltungsgerichtshof unterstützt und den renommieren Verfassungsrechtler Ulrich Battis für das Verfahren gewonnen. pit

Wie muss sich die hessische Besoldung in Zukunft ändern?

Um den Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs wie auch des Bundesverfassungsgerichts exakt zu folgen, muss in den kommenden Jahren jeweils das Niveau der Grundsicherung einer vierköpfigen Familie ermittelt werden. Dann müssen nach den gleichen Vorgaben 15 Prozent hinzugerechnet werden, um die absolute Mindestbesoldung für das niedrigste Besoldungsamt in Euro und Cent auszurechnen. Und davon ausgehend müssen unter Einhaltung des Abstandsgebots die Tabellenwerte für die höheren Besoldungsämter und die anderen Besoldungsordnungen festgelegt werden. Das sind die konkreten Vorgaben, die sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und jetzt des des hessischen Verwaltungsgerichtshofs ergeben haben. Uns ist durchaus bewusst, dass das für den Haushalt eine enorme Kraftanstrengung bedeuten kann. Jedoch mahnen wir seit Jahren an, dafür entsprechend Vorsorge zu treffen.

Wann muss die Besoldung geändert werden?

Auch hierzu müssen wir abwarten, wie die Entscheidung des Gerichts lauten wird. Das Bundesverfassungsgericht hat beispielsweise in seinen beiden Urteilen vom Mai 2020 den Gesetzgebern in Berlin und Nordrhein-Westfalen aufgegeben, bis zum 1. Juli dieses Jahres ein verfassungskonformes Besoldungsgesetz zu verabschieden.

Steht das Urteil überhaupt schon fest? Die Landesregierung verweist darauf, dass der Spruch des VGH erst noch dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden muss.

Es ist zutreffend, dass nur das Bundesverfassungsgericht letztlich die Feststellung der Verfassungswidrigkeit treffen kann. Jedoch ist absolut davon auszugehen, dass das auch so geschehen wird. Denn der VGH hat sich in seiner Entscheidung exakt an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Und die Tatsache, dass die Besoldung im niedrigsten Amt in Hessen um 24,3 Prozent unter der verfassungsrechtlichen Mindestalimentation liegt, kann durch nichts mehr gerechtfertigt werden. Hinzu kommt, dass die Besoldung in Hessen wie im Rest der Republik auch schon aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 zwingend hätte angehoben werden müssen.

Was erwarten Sie jetzt von der Landesregierung?

Dass der hessische Innenminister Peter Beuth sich an die Vereinbarung in unserem Gespräch vom April hält, wonach wir nur noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abwarten, um sodann zeitnah die künftige Ausgestaltung der Besoldung in Hessen zu erörtern. Wenngleich ich über die anders lautende Äußerung des hessischen Ministerpräsidenten von Dienstag sehr empört bin, gehe ich bislang davon aus, dass es bei der Vereinbarung mit Innenminister Beuth bleibt.

Interview: Pitt von Bebenburg

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