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Vier Tage Festival in Hessen: „Nicht nur gemeinsam beten“

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Von: Peter Hanack

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Mit Gott im Dialog? Zumindest etwas entspannen kann man sich auf einem Jugendkirchentag schon.
Mit Gott im Dialog? Zumindest etwas entspannen kann man sich auf einem Jugendkirchentag schon. © Monika Müller

Jugendpfarrer Gernot Bach-Leucht von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau spricht über Glauben und Party machen. Und warum viele junge Menschen beim Berufseinstieg aus der Kirche austreten.

Der Kirche laufen die Gläubigen weg, die Zahlen sind dramatisch. Bis zum Jahr 2060 soll es in Hessen – wie in Deutschland überhaupt – nur noch halb so viele Christen und Christinnen geben wie heute. Wir haben mit Gernot Bach-Leucht, dem Jugendpfarrer der evangelischen Kirche, gesprochen, was Jugendliche in der Kirche halten könnte.

Herr Bach-Leucht, der Jugendkirchentag wird von den Organisatorinnen als großes Festival gepriesen, man hofft auf ausgelassene Stimmung, unbeschwertes Feiern, eine gute Zeit für alle. Am Samstag legt ein Partyschiff ab, auf dem abgetanzt werden kann. Hat das alles mit Glauben zu tun?

Ich denke, das hat alles ganz viel mit Glauben zu tun. Für mich spielt eine ganz starke Rolle, dass Menschen hier bewegt sind von dem, was sie glauben, von dem, wie sie ihre Welt auf Gott hin deuten, miteinander Spaß haben, miteinander tanzen, feiern und singen und dann nicht nur ernsthaft zusammensitzen und die Hände falten zum Beten. Wobei natürlich auch das eine wichtige Rolle spielt.

Kommt das Spaß haben in der Kirche etwas zu kurz?

Manchmal kommt das ehrlicherweise schon vor. Für den Jugendkirchentag gilt das aber nicht. Wir haben eine gute Ausgewogenheit verschiedener Angebote. Es gibt ja sehr unterschiedliche Bedarfe. Es gibt Jugendliche, die brauchen ruhige Momente im Leben, Zeit zum Nachdenken. Es gibt welche, die wollen Spaß haben, andere wollen ganz viel von der Welt verstehen und haben viele Fragen. Es gibt Jugendliche, die sind intensiv mit ihrem persönlichen Glauben beschäftigt. Wenn man unsere evangelische Kirche vom Sonntagsgottesdienst aus wahrnimmt, könnte man durchaus manchmal den Eindruck haben, dass wir nicht gerade so eine Spaßgesellschaft sind. Aber dafür sind Jugendliche auch nicht die Zielgruppe.

Es treten viele, auch gerade junge Menschen aus der Kirche aus. Oft, wenn sie ihre erste Lohnabrechnung bekommen, vielleicht Familie haben und die Lebenshaltungskosten steigen. Eine Studie der evangelischen Kirche belegt, dass der Berufseinstieg eine Sollbruchstelle ist. Zugleich geschieht der Kirchenaustritt nicht spontan, sondern ist das Ende eines längeren Prozesses, sagt die Studie. Warum gelingt es nicht, diese Menschen so zu fest binden, dass sie über diese Schwelle hinwegkommen?

Glaubensfestival der Jugend

Der Jugendkirchentag findet vom 16. bis 19. Juni in Gernsheim am Rhein (Kreis Groß-Gerau) statt.

Zielgruppe sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 13 bis 27 Jahren.

Veranstalter ist die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Den Jugendkirchentag gibt es sei 2002. Er findet alle zwei Jahre statt.

Tickets gibt es ab 7,50 Euro. Erhältlich sind Tages-, Zweitages- und Dauerkarten. Wer auf dem Jugendkirchentag übernachten möchte, muss sich bis 20. Mai anmelden. pgh

Weitere Informationen, Tickets und Anmeldungen unter www.jugendkirchentag.de

Junge Menschen erleben, dass etwas plötzlich Geld kostet, das es vorher gratis gab, also die Zugehörigkeit zur Kirche. Wenn die Menschen dann nicht wissen, wo drin sie da eigentlich sind, treten sie konsequenterweise aus. Gerade eine gelungene Jugendarbeit vor Ort und Events wie der Jugendkirchentag schaffen die Möglichkeit zu verstehen, was evangelische Kirche sein kann. Ein anderes Feld, auf dem wir ganz stark Bindung schaffen, sind die Freizeiten in den Ferien. Ein dritter Bereich ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen wie Nachhaltigkeit oder Gendergerechtigkeit.

Die evangelische Kirche gerade in Hessen definiert sich sehr der Welt zugewandt. Wenn es um Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit oder Umweltschutz geht, kann ich als junger Mensch doch genauso gut zu den Fridays for Future oder zum BUND gehen.

Das ist kein Gegensatz. Junge Menschen engagieren sich bei Fridays for Future, im BUND und auch in der Evangelischen Kirche. Für uns als Christen und Christinnen ist es ein Auftrag, in der Welt Verantwortung zu haben und diese Welt zu gestalten. Dabei geht es auch um den persönlichen Glauben, darum zu verstehen, was Gott für mich bedeutet, was Gott von mir will. Das Besondere bei uns: Es geht tatsächlich um Gott und die Welt.

Wir erleben gerade große Krisen. Corona hat uns beschäftigt und tut es noch, die vielleicht bedrohlichste Krise besonders für junge Leute ist der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine ist nahe und macht Angst. Treibt das auch junge Menschen näher zur Kirche?

In Krisenzeiten werden Gottesdienste besser besucht. Allerdings nicht gerade von Jugendlichen. Wichtiger sind da Angebote zum gemeinsamen Gespräch, die Treffen in der Jugendgruppe vor Ort, wo man für den Frieden betet, sich auch politisch positioniert. Wichtig sind die Initiativen, die Hilfsangebote für ukrainische Flüchtlinge machen, sie einladen. Es gibt den starken Impuls, auf die Krisen zu reagieren, indem man etwas tut, und dazu gehört vielleicht auch ein gemeinsames Gebet, aber eben nicht allein. Ich beobachte aber schon, dass auch für junge Menschen das persönliche Gebet eine große Rolle spielt, mit ihrem Gott im Gespräch und Austausch zu sein. Gerade in der Zeit als Jugendlicher kann vieles schiefgehen, vieles auch gelingen. Da ist es ganz hilfreich, mit Gott ein Gegenüber zu haben und zu sagen: „Hallo Gott, mir geht’s voll scheiße“ oder „ich bin unendlich glücklich“.

Noch mal zurück zum Jugendkirchentag. Was können Kirchengemeinden davon für ihre eigene Arbeit mitnehmen?

Sie können hier die Magie erleben, die Vielfalt von Junggottesdiensten. Da gibt es Gottesdienste, die sind sehr stark politisch geprägt, andere nutzen viele Elemente aus dem Theater, wieder andere setzen auf traditionelle Formen wie die Lobpreisung von Gott. In den diesen Gottesdiensten sind es nicht erwachsene Personen, die Jugendlichen die Welt erklären, sondern Jugendliche, die selbst aus ihrem Glauben heraus sprechen. Das signalisiert, junge Menschen sind kompetent, über ihren Glauben zu sprechen. Wir nennen das Priestertum aller Gläubigen. Ab 14 Jahren können Jugendliche bei uns in den Kirchenvorstand gewählt werden, können mitentscheiden. Wir trauen Jugendlichen etwas zu. Das kann man hier auf dem Jugendkirchentag erleben. Und das kann man auch nach Hause in die eigene Kirchengemeinde tragen.

Interview: Peter Hanack

Gernot Bach-Leucht (63) ist Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Er ist dort zugleich Sprecher und Leiter des Fachbereichs Jugend.
Gernot Bach-Leucht (63) ist Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Er ist dort zugleich Sprecher und Leiter des Fachbereichs Jugend. © Privat

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