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Tradition und Moderne

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Von: Jutta Rippegather, Hanning Voigts

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Sieht immer noch feudal aus, enthält aber mittlerweile Demokratie: Das Stadtschloss von Wiesbaden. Foto: Renate Hoyer
Sieht immer noch feudal aus, enthält aber mittlerweile Demokratie: Das Stadtschloss von Wiesbaden. Foto: Renate Hoyer © Renate Hoyer

Im Hessischen Landtag begegnen einem Brüche zwischen Alt und Neu auf Schritt und Tritt. Und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein interessiert sich für Playmobil. Die Landtagskolumne.

Der Hessische Landtag ist ein modernes Parlament, gar keine Frage. Nicht nur, dass der Landtag auf Twitter und Youtube und sonst überall aktiv ist, und alle Ausschusssitzungen und Dokumente selbstverständlich im Internet recherchierbar sind. Alle mehr oder weniger hitzigen Debatten, die im Plenarsaal geführt werden, kann man auch live im Netz verfolgen, egal ob aus Vancouver, Tokio oder halt Dietzenbach.

Für Journalist:innen und Mitarbeiter:innen gibt es sogar noch einen praktischen Extraservice: Während des laufenden Sitzungstages werden nach und nach alle Reden schon einzeln auf einem Videoportal hochgeladen, so dass die Beobachter:innen eine Rede, die sie verpasst haben, oder eine bestimmte strittige Stelle, die sie zitieren wollen, rasch noch einmal nachschauen können. Stark!

Es weht also viel zeitgemäßer Geist durch die Flure des ab 1837 erbauten Wiesbadener Stadtschlosses, die frühere Residenz der Herzöge von Nassau, in dem heute das Landesparlament seinen Sitz hat. Weil der Landtag auch andere angrenzende Gebäude wie etwa das bereits 1826 erbaute Kavaliershaus nutzt, gibt es permanent spannende Brüche zwischen Tradition und Moderne, wenn man sich durch die unterschiedlichen Gebäude bewegt. Da tritt man aus dem altehrwürdigen Spiegelsaal des Schlosses durch eine Flügeltür direkt in den Neubau, in dem sich der Plenarsaal befindet. Da gibt es immer wieder halbe Treppen und unübersichtliche Stockwerksbereiche, weil die einzelnen Häuser teils umständlich aneinandergepappt werden mussten. Kann man sich herrlich verlaufen. Haben wir bereits selbst getestet.

Und beim Flanieren durch Stadtschloss, Mittelbau oder Wilhelmsbau stößt man zudem noch ständig auf den absoluten Bruch zwischen feudalem Protz und politischer Moderne, sprich: mehr oder weniger perfekter Demokratie. Und weil der Landtag wie die Demokratie selbst ein permanentes Work in Progress ist, also nie ganz fertig, wird es in der kommenden Woche wieder mal eine relevante Neuerung geben: Der Landtag bekommt eine neue, digitale Schließanlage. Alle Türen, die von der Tiefgarage oder den Innenhöfen in die vom Parlament genutzten Gebäude führen, müssen dann vor 8 und nach 17 Uhr mit einem Transponder geöffnet werden. Das ist so ein kleines nummeriertes Plastikteil, das von der Form her an eine plattgedrückte Linse erinnert. In den Büros und auf den Fluren des Landtages gibt es hier und da schon leicht verunsicherte Gespräche, ob man dieses Ding jetzt ständig mit sich herumschleppen müsse. Wir berichten dann, wie sich die Sache entwickelt.

Ein ganz anderes Anknüpfen an die Tradition beginnt dieser Tage in Frankfurt, nämlich die Feier des 175. Jubiläums der Konstituierung des ersten frei gewählten deutschen Parlaments in der Frankfurter Paulskirche. Eine gute Sache. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) beginnt die Feierlichkeiten am Montag mit einem seltsam anmutenden Termin im Historischen Museum Hanau, das seinen Sitz im Schloss Philippsruhe hat. Rhein wird gemeinsam mit dem Hamburger Künstler Oliver Schaffer eine Ausstellung eröffnen, in der zentrale Szenen der deutschen Demokratiegeschichte mit Playmobil-Figuren nachgestellt sind. Klingt albern, ist aber so. Wobei das ja vielleicht wenigstens putzig aussieht. Wo wir schon dabei sind: Ist Playmobil eigentlich noch modern?

Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf

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