Tipps zur Lebensmittelversorgung in Hessen: Hamstern ist kontraproduktiv
Wir beantworten Fragen zur Versorgung. Und die Verbraucherschützerin verrät, wie man sparen kann.
Versorgungsengpässe haben die Menschen in Deutschland nicht zu fürchten. Keiner müsse hier hungern, sagt der Vertreter des hessischen Bauernverbands, Bernd Weber. Und Verbraucherschützerin Wiebke Franz warnt, Hamstern führe zu leeren Supermarktregalen und verderbe die Preise.
Wird der Weizen für unsere Brötchen knapp?
Auf keinen Fall. Deutschland produziert 120 Prozent des Eigenbedarfs an Weizen. Auch in Hessen ist Winterweizen auf vielen Feldern ausgesät. „Wir sind hier sehr gut aufgestellt“, sagt Bernd Weber vom hessischen Bauernverband.
Wie ist die Lage bei den anderen landwirtschaftlichen Produkten?
Zuckerrüben decken den Eigenbedarf in Hessen. Bei anderen Lebensmitteln wird es eng. Gemüse gedeiht schwerpunktmäßig im Rhein-Main-Gebiet und in Südhessen. Als Hochburgen der Kirschen gelten Friedberg-Ockstadt und das nordhessische Witzenhausen. Der Schwerpunkt der Speiseäpfelproduktion liegt in Kriftel. Den Bedarf decken sie nicht. Eine Statistik gibt es einzig für den Bund. Demnach lag im Jahr 2020 der Selbstversorgungsgrad beim Gemüse bei 38 Prozent, beim Obst bei 20 Prozent.
Haben wir genug Milch?
Ja. Die Kühe in Deutschland liefern 112 Prozent des Eigenbedarfs. Beim Schweinefleisch sind es sogar 120 Prozent. Die Zahl der Schweinebetriebe in Hessen ist stark gesunken. Die Gründe: Die Preise sind im Keller, und es gibt keine Exporte nach China wegen der afrikanischen Schweinepest. Außerdem: Wegen der Pandemie fielen die Feste oder Fußballspiele aus, bei denen gern Grillwürste gegessen werden.
Alle reden davon, dass das Speiseöl knapp werden könnte. Was ist da dran?
In der Tat beziehen wir das Gros des Sonnenblumenöls aus Russland und der Ukraine. Doch es ist gut ersetzbar durch Raps- oder Olivenöl, versichert Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale in Hessen.
Haben wir genug Raps?
Der Anbau in Hessen nimmt zu. Im vergangenen Jahr blühten gelbe Teppiche auf 45 800 Hektar, in diesem Jahr sind es 48 000 Hektar. Neben hochwertigem Speiseöl findet Raps allerdings auch in Biodiesel Verwendung (E10) und gilt als hochwertiges Eiweißfutter für Rinder, Schweine und Geflügel. Kritiker:innen sehen darin Lebensmittelverschwendung. „Eine Kalorie Fleisch kostet selbst im besten Fall noch neun Kalorien pflanzliche Nahrung“, rechnete jüngst Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann in einem FR-Gastbeitrag vor.
Unbestritten ist, dass die Lebensmittelpreise steigen. Wie kann ich sparen?
Die Verbraucherschützerin empfiehlt ein Haushaltsbuch. Dann sieht man, was man ausgibt, und an welcher Stelle man sparen kann. Ein Wochenspeiseplan verhindert außerdem, dass man Überflüssiges kauft.
Was sollte ich beim Einkauf beachten?
Eigenmarken von Supermärkten und Discountern sind in der Regel nicht schlechter als Markenprodukte. Auf sogenannte Bückware achten, also Produkte unten im Regal. Wer unverpackt die richtige Menge kauft, bleibt nicht auf Resten sitzen, die dann im Müll landen. Im Hofladen, gegen Ende eines Markttages oder beim Bäcker kurz vor Ladenschluss lässt sich preiswerter einkaufen.
Was sind weitere Tipps?
Apfelsaftschorle selbst mischen statt fertige zu kaufen. Selbst kochen ist günstiger als Fertiggerichte zu essen. Nicht hungrig einkaufen gehen. Nicht bei jedem Angebot zuschlagen, sondern Preise vergleichen. Große Mengen mit langer Haltbarkeit kaufen. Grundsätzlich auf Sattmacher mit hohem Nährstoffgehalt setzen, also Kartoffeln, Erbsen, Linsen, Nudeln, Vollkornbrot.
Sollte ich nicht doch sicherheitshalber ein paar Vorräte bunkern?
„Hamstern ist nicht nötig“, versichert die Verbraucherschützerin. Sollten wir vor leeren Regalen stehen, dann liegt das am Hamstern selbst. Versorgungsengpässe gibt es in Deutschland nicht. Eine überhöhte Nachfrage ist kontraproduktiv und führt dazu, dass manche Lieferanten oder Läden die Preise extra erhöhen.
Was fordert die Verbraucherschützerin?
Eine Erhöhung des Satzes für die Empfänger:innen von Hartz 4. Die Landwirtschaft muss umsteuern und langfristig nachhaltig werden.
Was wollen die Landwirt:innen?
Sie wollen brachliegende sogenannte ökologische Vorrangflächen wieder beackern. Die durch den Ukrainekrieg eingebrochene „Zeitenwende“ müsse sich auch auf in der Agrarpolitik niederschlagen. „Jetzt sind wir in einer Notsituation und müssen die Prioritäten anders setzen“, sagt der Sprecher des Bauernverbands.
Wie steht das hessische Umweltministerium dazu?
Hessen unterstütze die vom Bund geplante Freigabe der Blüh- und Brachflächen zur Futternutzung für Tiere. Der Krieg in der Ukraine erfordere Konsequenzen und Kompromisse, teilt das Ministerium auf FR-Anfrage mit. Das mindere allerdings nicht den Handlungsdruck, Landwirtschaft und Ernährungssysteme an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen und die biologische Vielfalt zu erhalten. „Im Gegenteil steigt die Notwendigkeit, natürliche Ressourcen besser zu schützen, um beiden Krisen besser standzuhalten und strukturelle Probleme, wie sie bereits die Corona-Pandemie offengelegt hat, endlich mit mehr Nachdruck anzugehen.“
Zusammengestellt von
Jutta Rippegather