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Hessen
Streit über Forst-Zertifizierung
- vonPitt v. Bebenburgschließen
Der Hessische Rechnungshof sieht keinen Nutzen, aber hohe Kosten. Ministerin Hinz widerspricht energisch. Umweltschutzgruppen sehen den Wald in existenzieller Gefahr.
Die Forstpolitik von Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) gerät von mehreren Seiten unter Druck. Der Hessische Rechnungshof stellt die Zertifizierung des Waldes nach den Nachhaltigkeitskriterien des Forest Stewardship Council (FSC) infrage, die Millionen koste, ohne nachweisbare Verbesserungen zu zeitigen. Zugleich mahnen Greenpeace und andere Verbände, sich auf ökologische Ziele zu konzentrieren und Kostenfragen hintanzustellen.
Grünen-Ministerin Hinz hatte 2018 ihr Ziel erreicht, den gesamten hessischen Staatswald nach FSC-Regeln zu bewirtschaften. Das gilt als Gütesiegel, um die ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionen der Forstbetriebe weltweit zu verbessern. Dafür muss beispielsweise ein Teil des Waldes ganz sich selbst überlassen werden. Nach Ansicht des Rechnungshofs hatte der Landesbetrieb Hessen-Forst aber schon vorher „nachhaltig und umweltschonend gewirtschaftet“.
Wald
Die Waldfläche in Hessen umfasst knapp 900 000 Hektar. 42 Prozent sind Staatswald, 36 Prozent kommunaler Wald. Etwa ein Viertel der Waldfläche ist Privatwald.
Die FSC-Zertifizierung begann 2014. Seit 2018 ist der gesamte hessische Staatswald zertifiziert. pit
Der Rechnungshof kommt zu dem Schluss: „Entsprechend wenig Effekt aus ökologischer Sicht ist daher dem Zertifikat zuzuschreiben.“ Es koste aber viel Geld: rund 1,2 Millionen Euro für die Zertifizierung und die jährliche Überprüfung sowie Einnahmeausfälle von zehn Millionen Euro jährlich. Wenn diesem „bedeutenden Einnahmeverzicht“ kein messbarer ökologischer oder gesellschaftlicher Nutzen gegenüberstehe, empfiehlt der Rechnungshof, „die Zertifizierung rückgängig zu machen“.
Das Umweltministerium widerspricht energisch. Die FSC-Zertifizierung sei „in jeder Hinsicht vorteilhaft“ – auch wirtschaftlich. Hinz rechnet bei der unter FSC zu erwartenden Entwicklung von Baumarten mit 3,5 Millionen Euro zusätzlichen Einnahmen. Holz mit dem FSC-Siegel soll besser vermarktet werden können als anderes Holz.
Umweltschutzgruppen gehen die Vorschriften des FSC hingegen nicht weit genug. Sie sehen angesichts von „Klimawandel, einem gescheiterten Grundwassermanagement und einer verfehlten forstlichen Nutzung der Wälder“ eine „existenzielle Gefahr“ für den hessischen Forst. Das schreiben Umweltschützer:innen von Greenpeace, „Waldwende Jetzt!“, der Westwaldallianz Darmstadt und der BI pro-Walderhalt Darmstadt-Dieburg in einem Brief an Ministerpräsident Volker Bouffier, Ministerin Hinz und andere Politikerinnen und Politiker.
Sie dringen darauf, den Vorrang der „Nutzfunktion als Lebens- und Wirtschaftsraum“ aus dem Waldgesetz zu streichen. „In den Vordergrund einer Novellierung des Hessischen Waldgesetzes muss die Resilienz der Waldökosysteme, die Nährstoffnachhaltigkeit, der Schutz der Waldböden, der Schutz des Waldinnenklimas und der Erhalt der Biodiversität treten.“
Die Unterzeichner:innen wenden sich gegen „umweltschädliche Methoden“, mit denen beschädigte Bäume aus dem Wald entfernt würden. Sie führten dazu, „dass Böden befahren, Totholz aus den Wäldern entnommen und Nährstoffe aus dem System entzogen werden“. Die FSC-Zertifizierung sorge nicht für ausreichende Abstände zwischen den Rückegassen.