Stiftungsvorsitzende Heraeus sagt: „Schule ist wie ein mittelständisches Unternehmen“

Die scheidende Stiftungsvorsitzende Beate Heraeus setzt auf die Qualifikation von Schulleitungen. Die in Hanau ansässige Heraeus Bildungsstiftung agiert längst bundesweit. Ein Interview von Peter Hanack
Beate Heraeus verlässt am Monatsende nach 36 Jahren den Vorstand der Heraeus Bildungsstiftung und übergibt den Vorsitz an ihre Tochter Alexandra. 15 Jahre leitete die Diplomkauffrau und Unternehmerin die Organisation als Vorstandsvorsitzende. In dieser Zeit hat sie die gemeinnützige Stiftung von einer lokal agierenden Institution zu einer bundesweit tätigen Einrichtung entwickelt, die mit Kultusministerien, anderen Stiftungen und wissenschaftlichen Einrichtungen kooperiert.
Frau Heraeus, mit Ihrer Bildungsstiftung setzen Sie in den Schulen ganz oben, bei den Schulleitungen, an. Warum?
Weil die Schulleitungen die Kultur an einer Schule maßgeblich prägen. Ursprünglich haben wir mit der Heraeus Bildungsstiftung unmittelbar die Lehrkräfte angesprochen.
Sie haben dann als Vorstandsvorsitzende den Schwerpunkt neu gesetzt.
Ja, auf die Schulleitungen haben wir uns tatsächlich erst später fokussiert. Darauf gekommen bin ich, als in der damaligen siebten Klasse meiner Tochter Kinder saßen, die schon morgens um 8 Uhr Drogen genommen hatten und dem Unterricht überhaupt nicht mehr folgen konnten. Der Lehrer war damit völlig überfordert, ignorierte die Situation und versuchte einfach, weiter zu unterrichten. Es war klar, dass dieser Lehrer selbst Rat brauchte. Und dabei ging es nicht um Fachwissen, sondern um Menschen. Da war die Führung der Schule gefragt, die damit aber offenbar auch keinerlei Erfahrung hatte.
Sie sind gelernte Unternehmerin, stammen aus einer Unternehmerfamilie und haben in eine eingeheiratet. Wo sind sich Schule und ein Wirtschaftsunternehmen ähnlich?
Es gibt in Schulen, Stiftungen, Unternehmen gleichermaßen Menschen, die ein hoffentlich gemeinsames Ziel verfolgen und versuchen, dieses zu erreichen. Ein Schulleiter muss sich ähnlich wie ein Unternehmenslenker als Moderator verstehen, die verschiedenen Fähigkeiten dieser Menschen zu koordinieren. Wir können nur zusammen und auf Augenhöhe etwas erreichen. Es tut nicht gut, wenn einer von oben herabblickt und allen anderen sagt, was zu tun ist. Und ebenso wenig ist es gut, wenn einer immer noch oben blickt und darauf wartet, dass man ihm sagt, was er tun soll. In dieser Beziehung sind sich Unternehmen und Schulen sehr ähnlich, und es gelten ähnliche Prinzipien.
Heraeus Bildungsstiftung
Die Heraeus Bildungsstiftung existiert seit 1965. Sie hat ihren Sitz in Hanau. Sie setzt gezielt auf die Unterstützung von Lehrkräften und Schulleitungen.
Unter der Leitung von Beate Heraeus fokussierte sie sich auf Führungsthemen und übertrug Themen, Methoden und Trainings aus der Wirtschaft auf Schule.
38 000 Lehrkräfte und Schulleitungen haben in ihrer Zeit als Vorstandsvorsitzende an Qualifizierungen der Stiftung teilgenommen.
Seit 2020 veranstaltet die Stiftung gemeinsam mit dem Deutschen Philologenverband den bundesweiten „Deutschen Lehrkräftepreis“. pgh
Mehr Informationen dazu unter heraeus-bildungsstiftung.de und zum Deutschen Lehrkräftepreis unter www.lehrkräftepreis.de
Wo liegen die Unterschiede?
Das Verständnis für Finanzen, das spielt auch in Schulen eine immer größer werdende Rolle, auch wenn diese natürlich nicht wie ein Unternehmen gewinnorientiert arbeiten. Deshalb bin ich sehr dafür, die Studiengänge anzupassen, damit mehr Verwaltungs- und Finanzwissen in die Schulen einzieht. Davon haben Schulleitungen in der Regel entschieden zu wenig Kenntnis. Für uns ist eine Schule in der Tat ein mittelständisches Unternehmen.
Sollten Schulleiter und Schulleiterinnen Pädagogen sein?
Das kann ich nicht beurteilen. Wir haben uns in der Stiftung vor allem auf das Psychogische konzentriert, auf ihre Arbeit als Führungskraft, das ist das, was wir beherrschen. Ich bin sehr froh, dass wir nun mit Martin Fugmann im Vorstand einen erfahrenen Mann haben, der Jahrzehnte lang selbst Schulen geführt hat und weiß, was eine Schulleitung realistischerweise an Impulsen annehmen kann.
Sie haben selbst viel Zeit und Energie in die Stiftung gesteckt. Jetzt geben Sie den Vorstandsvorsitz ab, der bleibt ja aber in der Familie, da Ihre Tochter Alexandra übernimmt. Ist das für Sie wichtig?
Es muss laut Stiftungssatzung in der Familie bleiben, so hat es die Großmutter meines ehemaligen Mannes als Gründerin bestimmt. Aber ja, ich freue mich, dass meine Tochter Interesse an dieser Aufgabe hat. Sie ist seit sieben Jahren im Vorstand aktiv und arbeitet bereits seit einem Jahr als geschäftsführende Vorständin der Stiftung.
War es schwierig, sie davon zu überzeugen?
Nein, wenn ich das mit Druck hätte machen müssen, wäre es nicht geglückt. Es ist mir aber offenbar gelungen, die Begeisterung für die Arbeit in der Stiftung zu wecken, das ist großartig, und schöner geht es gar nicht. Dafür bin ich sehr dankbar.