Faeser tritt für die Hessen-SPD an: „Ich spiele auf Sieg, es geht um meine Heimat“

Die hessische SPD wählt Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf ihrem „Hessengipfel“ zur Spitzenkandidatin.
Friedewald - Als Nancy Faeser den Saal betritt, brandet Applaus auf. Die Genossinnen und Genossen erheben sich von ihren Plätzen. Sie jubeln der 52 Jahre alten SPD-Bundesinnenministerin zu, die Arm in Arm mit ihren Parteifreundinnen Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, und Anke Rehlinger, Regierungschefin des Saarlandes, zu ihrem Sitzplatz geht. Aus den Boxen dröhnt der Song „Roar“ von Katy Perry, in dem es heißt: „I got the eye of the tiger, a fighter / Dancing through the fire / Cause I am a champion“. Einige besonders motivierte Jusos stimmen „Nancy, Nancy“-Rufe an, die im Publikum aber nicht so recht verfangen wollen. Faeser winkt und lächelt, sie hat feuchte Augen.
Es ist eine gekonnte Inszenierung, die am Freitagabend im Rittersaal des Hotels „Prinz von Hessen“ im nordosthessischen Friedewald über die Bühne geht. Die SPD trifft sich zu ihrem „Hessengipfel“, um mit Politiker:innen aus der kommunalen Ebene, der hessischen Landespolitik und der Bundespolitik über die Aufgaben der nächsten Zeit zu diskutieren. Aber im Grunde geht es an diesem Wochenende nur um eine: um Nancy Faeser. Seit Donnerstag ist klar, dass die Politikerin aus Schwalbach, die lange Zeit in der Kommunalpolitik gearbeitet hat, dann als Innenpolitikerin und Fraktionsvorsitzende das Gesicht der SPD im Wiesbadener Landtag war und nun das Bundesinnenministerium leitet, ihre Partei als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf am 8. Oktober führen wird. Dreyer und Rehlinger, beide in ihren Bundesländern erfolgreiche SPD-Frauen, sind nach Friedewald gekommen, um Faeser zu unterstützen.
Hessen: Die SPD-Gremien sprechen sich einstimmig für Faeser aus
Die Parteigremien hätten Faeser heute einstimmig zur Spitzenkandidatin gewählt, sagt Günter Rudolph, Fraktionsvorsitzender der SPD im hessischen Landtag. „Sie ist eine kompetente, erfahrene Politikerin“, ruft Rudolph unter dem Beifall des Publikums. „Sie kennt Hessen wie ihre Westentasche.“ Die schwarz-grüne Landesregierung sei kein Modell mehr für die Zukunft, sagt Rudolph, Hessen müsse moderner, fortschrittlicher und sozial gerechter werden. Und das gehe eben nur mit der SPD. Nancy Faeser sei die Richtige, „um Hessen in die Zukunft zu führen“.
Eine Stunde zuvor, der Rittersaal ist bis auf Journalist:innen und Kamerateams noch völlig leer, tritt Faeser vor die Presse, ebenfalls begleitet von Rehlinger und Dreyer. Die drei Frauen stehen vor einem roten Aufsteller mit der Aufschrift „SPD – Zukunft für Hessen“. Ihre Kleidung wirkt perfekt abgestimmt: Dreyer im roten Mantel, Rehlinger in einem blauen Blazer, Faeser im schlicht weißen Kostüm. Eine Art Trikolore? Das sei aber wirklich reiner Zufall, betont Faeser.
Hessen: Faeser spricht über bezahlbaren Wohnraum und die Zukunft der Industrie
Hessen sei ihr Zuhause, sagt die 52-Jährige, hier sei sie fest verwurzelt. Sie kandidiere nicht leichtfertig für das Amt der Ministerpräsidentin. „Ich spiele auf Sieg, es geht um meine Heimat.“ Sie mache den hessischen Bürgerinnen und Bürgerinnen „ein klares Angebot“, sagt Faeser dann. Sie wolle das Land gerechter machen, für bezahlbares Wohnen, zukunftsfähige Industriearbeitsplätze, einen guten Nahverkehr und konsequenten Klimaschutz sorgen. Und sie werde Politik, wie immer in ihrem Leben, „nicht vom Schreibtisch aus“ gestalten, sondern nah bei den Sorgen der Menschen sein.
Auf die in der Öffentlichkeit bereits geäußerte Kritik, man könne in Krisenzeiten nicht Bundesinnenministerin sein und zugleich Wahlkampf in Hessen machen, reagiert Faeser deutlich. Es sei eine „demokratische Selbstverständlichkeit“, dass man aus einem Amt heraus für ein anderes kandidiere.
Hessen: Alle drei SPD-Frauen sehen kein Problem darin, aus einem Amt heraus zu kandidieren
„Aus Verantwortung für das Land“ bleibe sie in ihrem aktuellen Job, jetzt sei sowieso noch nicht die Zeit, Wahlkampf zu machen. Die Hessinnen und Hessen wüssten, dass sie das, was sie tue, mit vollem Einsatz mache. Und die Bürger:innen wollten, dass an der Spitze ihres Landes jemand stehe, der die richtigen Weichen für die Zukunft stelle. Dass sie bereits ankündige, nur im Falle eines Wahlsiegs nach Hessen zurückzukehren und ansonsten in Berlin zu bleiben, werde ihr nicht schaden, sagt Faeser. „Ich schaffe immer Klarheit und ich bin ehrlich.“ Oppositionsführerin in Hessen sei sie schon gewesen.
Malu Dreyer sagt, sie habe Faeser als eine „unglaublich kluge Frau“ kennengelernt, die wisse, wovon sie rede. „Sie hat einen klaren Kompass, und sie ist nah bei den Menschen.“ Sie sei überzeugt, sei Dreyer, „dass Nancy Faeser die ideale Kandidatin ist hier in Hessen“. Und auch sie habe aus einem Amt heraus als Regierungschefin kandidiert. Man könne auch in einem fordernden Job „in bestimmten Phasen einfach noch was drauflegen“.
Anke Rehlinger betont, ein Machtwechsel sei auch in Hessen möglich
Anke Rehlinger betont die Gemeinsamkeiten zwischen Hessen und dem Saarland. In beiden Bundesländern habe die CDU seit 1999 regiert, im Saarland sei nun die SPD an der Macht. „Und auch hier ist der Wechsel möglich“, sagt Rehlinger. Faeser stehe für Kompetenz und sei gleichzeitig eine „warmherzige Problemlöserin“, sie bringe alles mit, was eine Ministerpräsidentin brauche. Die „aufgeregte Debatte“ um eine Doppelbelastung verstehe sie nicht, schließlich kandidieren Boris Rhein von der CDU und Tarek Al-Wazir von den Grünen ebenfalls aus einem Amt heraus.
Nancy Faeser hört das viele Lob gerne, sie nickt und lacht. Sie macht den Eindruck, mit sich im Reinen zu sein. (Hanning Voigts)