Sparen oder Investieren: In Hessen gibt es neuen Streit um die Schuldenbremse

Das Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofs zum Corona-Sondervermögen befeuert die Diskussion um Investitionen und Sparen. Am Mittwoch wird der Landtag in einer Sondersitzung über die Folgen des Richterspruchs debattieren.
Der Hessische Landtag wird sich auf Antrag der Fraktionen von SPD und FDP am nächsten Mittwoch in einer Sondersitzung mit dem Urteil des Staatsgerichtshofs zum so genannten Corona-Sondervermögen befassen. Das Gericht hatte das von CDU und Grünen eingerichtete Konstrukt zur Aufnahme von Krediten in Höhe von bis zu zwölf Milliarden Euro am gestrigen Mittwoch für verfassungswidrig erklärt.
Den Menschen helfen
Nach dem Urteil muss die Landesregierung bis Ende März nächsten Jahres neu regeln, wie sie die Corona-Nothilfen finanzieren will. „Wir reichen der Landesregierung die Hand, um einen verfassungsgemäßen Haushalt für das Jahr 2022 aufzustellen“, erklärten die Fraktionsvorsitzen Nancy Faeser (SPD) und René Rock (FDP) übereinstimmend. Es gehe darum, den Menschen zu helfen, die von der Pandemie schwer getroffen worden seien. Zudem müssten die Kommunen in die Lage versetzt werden, die Folgen der Krise vor Ort anzugehen.
Der hessische Städte- und Gemeindebund fürchtet nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs keine größeren Folgen für seine Mitglieder. „Es war politisch und rechtlich nie umstritten, dass die Kommunen infolge der Corona-Pandemie hohen finanziellen Unterstützungsbedarf haben“, erklärte Geschäftsführer David Rauber. Nun sei zwar die rechtliche Umsetzung kritisiert, der Bedarf aber nicht infrage gestellt worden.
Schulden
Das Corona-Sondervermögen ist ein Schuldentopf. Die schwarz-grüne Landesregierung erlaubte sich selbst, bis zum Jahr 2023 bis zu zwölf Milliarden Euro an Krediten aufzunehmen - weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle. Damit solle Nothilfe geleistet werden, hieß es zur Begründung. Das Konstrukt hat der Hessische Staatsgerichtshof nun als verfassungswidrig verworfen.
Die Schuldenbremse erlaubt eine Neuverschuldung des Landes nur bei einer Notlage. Allerdings muss auch dann der Landtag mitentscheiden können. pgh
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hessen-Thüringen indes warnt vor einer restriktiven Haushaltspolitik. „Es darf jetzt auf keinen Fall zu Ausgabenkürzungen kommen“, mahnte der Landesvorsitzende Michael Rudolph. Im Gegenteil müsse für Kitas, Schulen und die Verkehrsinfrastruktur deutlich mehr Geld fließen.
Bildung in Gefahr
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen verwies auf den „hohen zusätzlichen Ausgabenbedarf“ im Bildungsbereich. Dort gebe es bereits seit langem einen „erheblichen Investitionsstau“, so Landesvorsitzender Thilo Hartmann.
Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) sieht in dem Staatsgerichtsurteil die Mahnung, die Schuldenbremse einzuhalten. Dies erfordere „mehr Sparsamkeit des Landes“, erklärte Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert. Nur Ausgaben, die eindeutig im engen Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Krise stünden, dürften ausnahmsweise mit Krediten finanziert werden.
Schattenhaushalt gescheitert
Der Bund der Steuerzahler Hessen wertet das Urteil als gute Nachricht. Der „Schattenhaushalt“ der Landesregierung sei gescheitert, die vom Gericht angemahnte Finanzierung aus regulären Haushalten sei transparenter und trage dazu bei, unnötige Ausgaben zu vermeiden.
Die Linke im Landtag dagegen beklagte, das Gericht habe die Schuldenbremse restriktiv ausgelegt. Dies schränke die Möglichkeiten zum Investieren angesichts der Krise ein.
Siehe dazu den Kommentar „Doch ein guter Tag“