Scheiden tut weh

Manchmal muss man Auf Wiedersehen sagen, auch in der hessischen Landespolitik. Und manchmal ist das auch ganz gut so. Die Kolumne aus dem Hessischen Landtag.
Abschiede gehören zum Leben dazu. Das gilt auch für das Leben in der Politik, und das gilt auch im Hessischen Landtag. Zu Beginn der Plenarsitzungen erheben die Abgeordnete sich regelmäßig zu einer Schweigeminute, um kürzlich verstorbener ehemaliger Abgeordneter zu gedenken. Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) berichtet dann aus dem Leben der Verstorbenen und von ihren Verdiensten, und man bekommt immer wieder neue Einblicke in politische Karrieren grob gesagt ab den 50er Jahren.
In dieser Woche wurde im Landtag ein anderer Abschied begangen, zum Glück ein nicht so endgültiger. Gerhard Kneier, langjähriger Landtagskorrespondent für die „Frankfurter Neue Presse“ und den „Evangelischen Pressedienst“, aber als Zeitungs- und Nachrichtenjournalist auch weit über Hessen hinaus seit Jahrzehnten umtriebig, verabschiedete sich mit kleinen Häppchen in den Ruhestand. Oder Unruhestand, das wird sich noch zeigen. Einige Politiker:innen und viele Medienleute waren da, die alle betonten, dass sie Kneier immer als angenehmen und zuverlässigen Kollegen geschätzt hätten. Kneier, mit weißem Vollbart und Schiebermütze immer leicht zu erkennen, war auch lange Jahre im Vorstand des Frankfurter Presseclubs gewesen.
Der Festredner hatte früher mal beruflich mit Medienleuten zu tun
Der Festredner der kleinen Feierstunde war kein Journalist, aber jemand, der in seinem Berufsleben sehr viel mit diesen Leuten zu tun hatte. Volker Bouffier heißt der Mann, der hat in Hessen mal was mit Politik gemacht, die älteren Leser:innen werden sich erinnern. Der Ministerpräsident a. D. wirkte entspannt und aufgeräumt, und am Rednerpult hob er zu einer Würdigung an, die so niemand erwartet hatte, ganz sicher auch Kneier selbst nicht. Bouffier berichtete wertschätzend, wie wohltuend es sei, Journalisten zu habnen, die die Landespolitik kontinuierlich und professionell begleiteten. Er betonte, dass Kneier zum Glück immer auf die Trennung zwischen Bericht und Kommentar geachtet habe – was dazu führe, dass er, Bouffier, bei vielen Entscheidungen bis heute nicht wisse, was Kneier selbst davon halte.
Und Bouffier hob so lobend wie augenzwinkernd hervor, dass der gläubige Protestant Kneier bei jeder einzelnen Pressekonferenz zu den Corona-Maßnahmen am Ende nachgefragt habe, welche Regeln es denn jetzt für Kirchen und Gottesdienste gebe. Am Ende gab er Kneier noch den Tipp, möglichst viele Ehrenämter nicht anzunehmen. Er selbst sei da bisher nicht so erfolgreich. In diesem Sinne wünscht auch das FR-Landtagsteam dem Kollegen alles Gute!
Nach der Landtagswahl kommen die nächsten Abschiede
Ab Ende dieses Jahres werden der hessischen Landespolitik übrigens noch eine ganze Menge weiterer Abschiede bevorstehen. Es wird nach der Wahl am 8. Oktober einen neuen Landtag, anders zusammengesetzte Fraktionen und eine neue Landesregierung geben, und auch wenn einige Akteur:innen in ihren Ämtern bleiben sollten, werden viele gehen: Sozialminister Kai Klose (Grüne), Umweltministerin Priska Hinz (Grüne), Innenminister Peter Beuth (CDU) und Europaministerin Lucia Puttrich (CDU) haben bereits angekündigt, sich aus der Landespolitik zurückziehen zu wollen, teils aus Altersgründen, teils, um noch mal „was anderes zu machen“, wie die jungen Leute sagen. Da wird dann auf Abschieden wieder viel Sekt und Orangensaft fließen.
Wir selbst bleiben Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, erst einmal erhalten. Bis nächste Woche! (Jutta Rippegather und Hanning Voigts)
Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf