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Rechtsterror-Ermittlungen in Hessen: „Mandy“ nicht überprüft

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Von: Pitt von Bebenburg

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Wissenslücken beim Verfassungsschutz zu Lübckes Mörder.
Die Polizei geht weiter der Frage nach, ob es Verbindungen gab zwischen der NSU-Mordserie und dem ebenfalls rechtsextrem motivierten Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU). © Swen Pförtner/dpa

Im Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags geht es um mögliche Verbindungen zwischen dem NSU-Terror und dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke

Die Polizei geht weiter der Frage nach, ob es Verbindungen gab zwischen der NSU-Mordserie und dem ebenfalls rechtsextrem motivierten Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU). Ein 46-jähriger Kriminalpolizist vom Bundeskriminalamt (BKA) berichtete am Donnerstag im Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags, dass man viele Daten und Spuren abgeglichen habe, sich daraus aber kein konkreter Tatverdacht gegen bestimmte Personen ergeben habe.

Der Name des Beamten wurde nicht genannt. Er leitete die Ermittlungsgruppe „Lupe“, die sich damit befasst, ob am Mord an Walter Lübcke 2019 weitere Personen beteiligt waren neben dem vom Oberlandesgericht Frankfurt verurteilten Rechtsextremisten Stephan Ernst. Bereits seit 2011 war der Zeuge mit Ermittlungen zu den Morden der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) betraut, darunter der Mord an Halit Yozgat in Kassel im April 2006.

Kontakte auf Ernsts Handy

Der Linken-Obmann im Ausschuss, Hermann Schaus, fragte nach Kontakten, die auf einem alten Handy von Stephan Ernst gefunden worden seien. Darauf hätten sich Telefonnummern mit den Kürzeln „Uwe Eisenach“. „Kam. Uwe Eis“ und „Kam. Mandy“ gefunden, wobei „Kam.“ für Kamerad oder Kameradin stehen könne. Der Abgeordnete Schaus mutmaßte, die Namen könnten sich auf die NSU-Terrorist:innen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bezogen haben, da sich Zschäpe mit dem Namen Mandy Struck tarnte.

Der befragte BKA-Beamte konnte sich entsinnen, dass seine Kolleg:innen die Uwe-Kontakte überprüft und keinen Bezug zum NSU gefunden hätten. An Ermittlungen zu „Mandy“ könne er sich nicht erinnern. Das stimmte laut Schaus mit den Erkenntnissen aus den Akten überein, wonach die Polizei die „Uwe“-Daten überprüft habe, es aber keine Ermittlungsergebnisse zur Überprüfung von „Mandy“ gebe.

Wer spähte Opfer aus?

Offen ist bis heute, wie die Terrorgruppe NSU ihre Opfer auswählte – in fast allen Fällen Kleinunternehmer aus Familien mit türkischem Hintergrund. Der Zeuge bestätigte, dass in der NSU-Wohnung in Zwickau Skizzen mit möglichen Tatorten gefunden worden waren, Stadtpläne mit handschriftlichen Kreuzen und Anmerkungen. Er sah jedoch keine Hinweise darauf, dass diese Ziele von Helfer:innen aus den Nazi-Szenen an den Tatorten stammen könnten.

Vielmehr gehe das BKA davon aus, dass die Terrorgruppe von Zwickau aus bundesweit mögliche Tatorte ausgesucht habe, indem sie Quartiere mit migrantischen, muslimischen und jüdischen Einrichtungen markiert habe. Für eine solche Hypothese spreche ein Kreuz auf der Kassel-Karte, das ein Haus markieren solle, welches an einer ganz anderen Stelle in der Stadt stehe. Dies lasse auf mangelnde Ortskenntnis schließen.

Welche Rolle spielte Temme?

Erneut spielte auch die Funktion des früheren hessischen Verfassungsschützers Andreas Temme eine Rolle, der beim Mord an Halit Yozgat oder Sekunden davor am Tatort war. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn war eingestellt worden.

Der 46-jährige BKA-Beamte sagte, Temme sei im NSU-Komplex „wahrscheinlich die Person, die die meiste Ermittlungsarbeit mit sich gebracht hat“. Die Polizei habe jedoch „keine Hinweise, dass Herr Temme die Straftaten des NSU mit vorbereitet, durchgeführt hat oder in die Nachbereitung eingebunden war“, sagte der Zeuge. „Solange sich Herr Temme nicht offen und ehrlich äußert, ist vieles Spekulation.“

Am Vortag hatte ein Neonazi im Untersuchungsausschuss ausgesagt.

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