Neues hessisches Schul-Videosystem noch mangelhaft

Lehrkräfte vermissen vor allem eine Funktion für den Austausch im Kollegium und mit Externen. Das Kultusministerium hat Nachbesserungen zugesagt.
Vor gut einer Woche hat Kultusminister Alexander Lorz (CDU) mitgeteilt, dass nun alle hessischen Schulen Zugang zu einem landeseigenen Videokonferenzsystem hätten. Dessen Einführung hatte sich mehrmals verzögert und wurde vor allem während der coronabedingten Schulschließungen vermisst. Lehrerverbände begrüßen den Start, halten das System im Detail aber für nachbesserungswürdig.
Man sei froh, dass nun endlich ein datenschutzkonformes Videokonferenzsystem zur Verfügung stehe, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Thilo Hartmann. Da der Unterricht aber glücklicherweise wieder verlässlich in Präsenz stattfinden könne, werde das System allerdings momentan nur in Einzelfällen zur Kommunikation mit Schülern und Schülerinnen genutzt.
Kein Kontakt mit Kollegen
„Wichtiger wäre die Möglichkeit, sich digital mit Kolleg:innen oder externen Partner:innen austauschen zu können“, kritisiert Hartmann, etwa bei Konferenzen. Dies sei aber nur über Umwege möglich. Allerdings habe das Hessische Kultusministerium angekündigt, diese Funktion bald zu ermöglichen.
Das neue System sei darauf ausgelegt, Videokonferenzen mit Lerngruppen durchzuführen, sagt Stefan Wesselmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Hessen. „Das ist etwas, was derzeit kaum genutzt wird.“ In der Regel gebe es auch keine Schülerinnen und Schüler mehr, die vom Präsenzunterricht befreit seien, wie dies aufgrund der Corona-Testpflicht der Fall gewesen sei.
„Daher kann über die Stabilität des Systems noch überhaupt nichts gesagt werden“, sagte Wesselmann. Ein Gewinn könne das System bei Schulschließungen aufgrund der Witterung oder bei einem eventuellen Heizungsausfall sein. „Aber das ist ja zum Glück die Ausnahme“, so der VBE-Landesvorsitzende.
SCHULPORTAL
Das Schulportal Hessen ist nach Angaben des Kultusministeriums die zentrale digitale Lern- und Arbeitsplattform des Landes.
Es hat mehr als 900 000 Nutzerinnen und Nutzer. 98 Prozent der öffentlichen weiterführenden Schulen und 90 Prozent der Grund- und Förderschulen verwenden laut Ministerium das Portal.
Schulen müssen sich für das Schulportal anmelden, um das Videokonferenzsystem nutzen zu können. pgh
Für einen oder zwei Tage spontan und kurzfristig den Unterricht auf ein Onlineformat umzustellen, halte er auch für kaum realistisch. Da würden eher auf digitalem Weg Aufgaben für zu Hause verteilt. Ein großer Nachteil sei, dass Videokonferenzen von Lehrkräften etwa für Absprachen und Koordinationen bislang nicht vorgesehen seien, kritisiert auch Wesselmann. Zudem könnten keine Links erstellt werden, damit auch externe Partner:innen an Videokonferenzen teilnehmen könnten. Das sei mit anderen, bisher genutzten Programmen wie beispielsweise Teams von Microsoft besser möglich gewesen. Diese dürfen aber nun, nach dem Start des landeseigenen Systems, aus Datenschutzgründen nicht mehr genutzt werden, hatte Lorz mitgeteilt.
Sichere Daten
Es sei gut, dass datenschutzrechtliche Schwierigkeiten nun ausgeräumt seien, räumt Reinhard Schwab, Vorsitzender des hessischen Philologenverbands, ein. Somit sei auch Distanzunterricht möglich. Doch das System sei mit festen Lerngruppen an das Schulportal gebunden. Eine Erweiterung im Hinblick auf einen noch flexibleren Einsatz beispielsweise für Gruppen von Lehrkräften wäre wünschenswert, regt er an.
Eigentlich hätte das landeseigene System bereits spätestens im Sommer 2021 zur Verfügung stehen sollen. Dann hätte es auch während der coronabedingten Schulschließungen für das Homeschooling genutzt werden können. Es handelt sich bei dem System um die Open-Source-Software „Big Blue Button“. Erreichbar ist es über das hessische Schulportal.
Das Videokonferenzsystem diene vor allem der Kommunikation im pädagogischen Bereich, hatte Lorz erläutert. Für Lehrkräfte würden Fortbildungen zur Funktionsweise des Systems und zu den Möglichkeiten, es im Unterricht zu nutzen, angeboten, kündigte der Minister an.