Lebensmittelskandal in Hessen: Klinikküchen nehmen jetzt nur noch ganze Gurken

Die Listerien-Fälle haben die Großküchen aufgeschreckt. Die Verbraucherschützer fordern eine Neuaufstellung der Lebensmittelüberwachung.
Im Offenbacher Sana-Klinikum wurden die Listerien bei zwei Patienten im November nachgewiesen. Der Fall im Frankfurter Markus-Krankenhaus trat Mitte Januar auf. Dazwischen liegen zwei Monate, in denen der Betrieb in Gernsheim Gelegenheit hatte, weiter gegen die Hygieneregeln zu verstoßen – obwohl die örtlichen Behörden über die meldepflichtige Bakterien im Krankenhaus informiert worden waren.
Beide Kliniken werden von unterschiedlichen Großküchen beliefert. Die Offenbacher beziehen seit mehr als zehn Jahren ihr Essen von der Gourmet-Werkstatt Wetterau-Rhein-Main, die auch die Häuser des Gesundheitszentrums Wetterau beliefern. Die Großküche wurde am 5. November von den Veterinärämtern Friedberg und Offenbach über den Listerien-Fall informiert, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Der Name der betroffenen Firma sei der Großküche allerdings bis jetzt nicht offiziell mitgeteilt worden. „Diejenige Firma, deren Name aktuell in den Medien kolportiert wird, gehört nicht zu den direkten Lieferanten der Gourmet-Werkstatt Rhein-Main-Wetterau.“
Warum erst jetzt öffentlich?
Die Wege der Lebensmittel können verschlungen sein. „Wir beziehen von einem Großhändler aus der Region“, sagt die Sprecherin. Ob der wiederum mit dem Gernsheimer Unternehmen kooperiert, sei nicht bekannt.
Fest steht, dass die Ursache der Patientengefährdung nicht bei der Gourmet-Werkstatt lag. „Alle behördlichen und freiwilligen Testungen in den folgenden Wochen waren und sind bis heute negativ“, versichert die Sprecherin. Wie das Sana-Klinikum mitteilt, hat es im November umgehend das zuständige Gesundheitsamt und die Großküche informiert. „Daraufhin haben sowohl das Veterinäramt Darmstadt als auch das Veterinäramt des Wetteraukreises unabhängig voneinander eine Untersuchung durchgeführt, deren Ergebnis in beiden Fällen keinen Listeriose-Befall feststellte.“
Die Gourmet-Werkstatt geht auf Nummer sicher. Sie lässt sich jetzt nur noch mit ganzen Gurken und Tomaten beliefern und schneidet sie vor Ort. Die Reißleine zog auch die Agaplesion Catering, die mit ihrer Großküche in Obertshausen unter anderem das Markus-Krankenhaus versorgt. „In der Konsequenz haben wir die Ausgabe von Blattsalaten und Rohkost an unsere Patientinnen und Patienten gestoppt, bis wir einen neuen Lieferanten für diese Produkte gefunden hatten“, sagt eine Sprecherin. Das Frankfurter Krankenhaus hatte den Fall nach eigenen Angaben beim Robert-Koch-Institut, dem Gesundheitsamt und den Veterinärbehörden umgehend gemeldet.
Die Verbraucherzentrale Hessen forderte am Dienstag „lückenlose Aufklärung und eine Neustrukturierung bei der Lebensmittelüberwachung in Hessen“. Sie hat eine Liste von Fragen an die Behörden zusammengestellt. So wollen die Verbraucherschützer unter anderem wissen, ob auch andere Bundesländer von der Belieferung listerienbelasteter Produkte aus dem Betrieb betroffen sind. Kritisch sehen sie, dass nur der Verarbeitungsbereich geschlossen ist. „Wie wurde sichergestellt, dass die hygienischen Verhältnisse einen Weiterbetrieb anderer Bereiche zulassen?“ Sie wollen wissen, ob alle Lieferketten nachvollzogen wurden und wer außer den beiden Krankenhäusern noch von dem Betrieb beliefert wurde.
„Gab es eine Warnung auf www.lebensmittelwarnung.de?“ lautet eine weitere Frage. Und: „Welche Produkte waren betroffen außer den bekannt gewordenen geschnittenen Gurken, Rotkraut und Tomaten mit welcher Haltbarkeit und Chargennummer?“ Von Interesse ist auch, warum der Fall erst zwei Monate nach Schließung des betroffenen Betriebes öffentlich werde. Das Land Hessen habe seit dem Wilke-Wurst-Skandal einiges getan, um die Veterinärämter zu entlasten. Offenbar reichten diese Verbesserungen immer noch nicht aus.