1. Startseite
  2. Rhein-Main
  3. Landespolitik

Keine blöden Sprüche: Hessens Lehrkräfte sollen sich gegen Demokratiefeindlichkeit stark machen

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Peter Hanack

Kommentare

An der Brühlwiesenschule in Hofheim am Taunus zeigt ein Wegweiser, worauf es ankommt beim Miteinander von Menschen. Hass und Extremismus jedenfalls sind der falsche Weg.
An der Brühlwiesenschule in Hofheim am Taunus zeigt ein Wegweiser, worauf es ankommt beim Miteinander von Menschen. Hass und Extremismus jedenfalls sind der falsche Weg. © Peter Hanack

Das Hessische Kultusministerium startet ein Programm für Lehrkräfte an beruflichen Schulen. Die sollen gegenüber Extremismus und Diskriminierung „nicht sprachlos bleiben“.

Hessische Lehrkräfte an beruflichen Schulen sollen besser darauf vorbereitet sein, mit Verschwörungsideologien, Extremismus und anderen demokratiefeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen umzugehen. Darum hat das Land das Programm „Starke Lehrer - starke Schüler“ gestartet. Am Donnerstag wurde es an der Brühlwiesenschule in Hofheim am Taunus vorgestellt.

Jugendliche und junge Erwachsene seien in einem „gefühlten Krisen-Dauermodus“, sagt Valerie Sargk. Die 34-Jährige ist Lehrerin für Deutsch und Politik an der Brühlwiesenschule, einer beruflichen Schule in Hofheim am Taunus. Dieser „Krisen-Dauermodus“ – von Corona über Krieg, Klimawandel bis hin zu sozialen Abstiegsängsten – führe nicht selten zu Unsicherheit und Ohnmachtsgefühlen. Diese wiederum seien Nährboden dafür, einfache Antworten zu suchen, die verschwörungstheoretisch, extremistisch und überhaupt demokratiefeindlich sein könnten, so Lehrerin Sargk.

Prägende Jahre in der Schule

Deshalb hat sie sich bei dem Programm „Starke Lehrer – starke Schüler“ angemeldet, an dem sich ihre Schule als eine von sechs beruflichen Schulen in Hessen beteiligt.

„Wir erleben eine Polarisierung in der Gesellschaft, in der Demokratieerziehung und Wertebildung besondere Bedeutung gewinnen“, erläuterte Kultusminister Alexander Lorz (CDU). In der Schule verlebten Jugendliche und junge Erwachsene „prägende Jahre“. Das besondere an „Starke Lehrer - starke Schüler“ sei, so Lorz, dass es sich an die beruflichen Schulen richte, einen Ort, der „die letzte Möglichkeit bietet, auf die jungen Menschen schulisch einzuwirken“.

Das Modellprogramm

„Starke Lehrer – starke Schüler“ ist ein Kooperationsprojekt des Hessischen Kultusministeriums, der Robert Bosch Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung.

Hessen ist nach Sachsen, Niedersachsen und Brandenburg das vierte Bundesland, das das Programm anbietet.

Sechs berufliche Schulen beteiligen sich daran. Das Programm bietet Schulungen und Coachings. Es ist auf dreieinhalb Jahre angelegt und soll bei Erfolg ausgeweitet werden. pgh

An dem als Modellprojekt konzipierten Programm nehmen 17 Lehrkräfte und eine Sozialpädagogin aus sechs Schulen teil. Zwölf hatten sich laut Projektleiterin Susann Gessner von der Philipps-Universität Marburg um die Teilnahme beworben.

Einer der Teilnehmer ist Nicolas Dreblow (45) von der Bethmannschule in Frankfurt. „Uns Lehrkräften fehlt oft das Rüstzeug, um angemessen reagieren zu können“, sagt er. Viele seiner Kollegen fühlten sich daher unsicher. Was tun, wenn ein Schüler bei einer Diskussion den Halbsatz anfüge, es sei ja nicht so wichtig, „was die sagt, das ist ja eine Frau“? Überhören, weitermachen im Stoff? Oder die Gleichwertigkeit der Geschlechter zum Thema machen? „Das Programm kann uns sensibler machen hinzuhören“, sagt Dreblow. Und Rüstzeug an die Hand geben, adäquat zu reagieren. „Ich würde etwa den Schüler ansprechen, ihn darauf hinweisen, dass so etwa beleidigend sei“, sagt Dreblow.

Kulturell bedingte Ressentiments

Lehrerin Sargk hat im Unterricht schon oft Äußerungen gehört, „die man so nicht stehen lassen kann“, erzählt sie. Etwa, dass „alle Hartz-IV-Empfänger sowieso nicht arbeiten wollen“. „Ich will dann nicht sprachlos sein, sondern reagieren, etwa indem wir darüber sprechen, warum Menschen denn überhaupt arbeitslos werden“, sagt sie. Oder wenn es mal wieder Beleidigungen hagele, jemand „schwul und behindert“ sei. „Auch da muss ich einhaken, gerade wenn da auch kulturell bedingte Ressentiments auftauchen.“ Einfach sei dies nicht. Mit „Starke Lehrer - starke Schüler“ könnten Lehrkräfte trainieren, mit solchen Herausforderungen umzugehen.

Und noch einen anderen Effekt habe die Teilnahme an dem Programm, wie Sibilla Friedrich-Pauly berichtet. Die Sozialpädagogin - sie ist bislang die einzige in dem Modellprojekt - arbeitet als Ubus (Unterrichtsbegleitende Unterstützung durch sozialpädagogische Fachkräfte) an der Frankfurter Bethmannschule. „Allein schon, weil es das Programm an unserer Schule gibt, fühlen sich viele bestärkt, gegen diskriminierende oder extremistische Äußerungen etwas zu tun, man spürt die Rückendeckung dafür“, erläutert sie. „Es gibt da eine richtige Aufbruchsstimmung.“

Auch interessant

Kommentare