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In Hessen gibt es viel Kritik an den neuen Oberstufenregeln

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Von: Peter Hanack

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Leichter wird es wohl nicht, in Hessen eine gute Abiturnote zu bekommen. Tröstlich: Es wird auch nicht viel schwieriger.
Leichter wird es wohl nicht, in Hessen eine gute Abiturnote zu bekommen. Tröstlich: Es wird auch nicht viel schwieriger. © Getty Images/iStockphoto

Die Hoffnung auf mehr Vergleichbarkeit der Abiturergebnisse zwischen den Bundesländern ist gering. Der Notenschnitt bleibt in Hessen voraussichtlich so, wie er ist.

Es erscheint ziemlich unfair, wenn die Abiturnoten in den Bundesländern so unterschiedlich ausfallen: eine 2,04 im Schnitt in Thüringen, eine 2,42 in Schleswig-Holstein, Hessen etwa in der Mitte. Schließlich sind diese Noten häufig die Eintrittskarte in ein Studium. Und allein der Intelligenz der Abiturient:innen in den jeweiligen Ländern kann man die Unterschiede wohl kaum zuschreiben.

Jetzt haben die Kultusminister:innen der 16 Bundesländer – getrieben durch einen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts – die Regeln für die gymnasialen Oberstufen geändert, um mehr Vergleichbarkeit herzustellen. An der Umsetzung aber hagelt es in Hessen heftige Kritik, und allenfalls die Gymnasiallehrkräfte freuen sich ein bisschen.

Mehr Grundkurse

So kommt die einzig positive Stimme zu den Änderungen vom Hessischen Philologenverband, der die Lehrer und Lehrerinnen an den Gymnasien vertritt: „Unsere Zufriedenheit können wir nicht verhehlen.“ Vor allem begrüßt der Verband, dass künftig überall 40 Grundkurse verbindlich belegt werden müssen; in manchen Ländern genügen bisher 32, in Hessen 36.

Auch die Begrenzung auf bis zu drei Leistungskurse (mancherorts bis zu vier) findet der HPhV gut, dadurch könne besser „in die Tiefe gearbeitet“ werden. Hessen hat schon heute eine Beschränkung auf zwei solcher Leistungskurse, die bei der Abschlussnote besonders ins Gewicht fallen.

Deutsch und Mathe Pflicht

Dass nun aber künftig tatsächlich vergleichbare Prüfungsergebnisse auf Bundesebene erzielt werden, bezweifelt Markus Wolf, der stellvertretende Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Hessen. Allein die „strukturellen Rahmenbedingungen“ zu ändern, werde dafür nicht ausreichen. Um tatsächlich „eine annähernd sinnvolle Vergleichbarkeit der Abiturabschlüsse anbahnen zu können“, komme es unter anderem darauf an, auch die Kombinationsmöglichkeiten bei den Prüfungsfächern anzugleichen, sagt Wolf. So sind in Hessen, im Unterschied zu anderen Bundesländern, Mathe und Deutsch in der Prüfung obligatorisch.

Angeglichen werden müssten auch Aufgabenformate. Dabei könne ein bundeseinheitliches Zentralabitur Abhilfe schaffen – eine Möglichkeit, die aber kaum Chancen auf eine Umsetzung habe, glaubt der VBE-Vertreter.

Die neuen Regeln für die Gymnasiale Oberstufe

Die Kultusministerkonferenz der Länder hat eine Angleichung der strukturellen Rahmenbedingungen für die gymnasiale Oberstufe in den 16 Bundesländern beschlossen.

Die Regeln gelten von 2027 an und damit für die Abiturjahrgänge ab 2030.

Wesentliche Änderungen sind:

Leistungskurse kann es zwei oder drei geben, bisher waren bis zu vier möglich. In Hessen sind es schon heute zwei.

Grundkurse: 40 sind verpflichtend zu belegen, davon müssen 36 in die Abiturwertung eingebracht werden, bislang sind es 32 bis 40. In Hessen müssen vom nächsten Schuljahr an 36 statt bisher 34 Kurse in der Qualifikationsphase belegt werden.

Klausuren sollen ein bis zwei je Halbjahr in Leistungskursen und in einigen Grundkursen geschrieben werden. Das gilt in Hessen schon heute.

Gesellschaftswissenschaftliche Fächer müssen sechs Halbjahre (statt vier) belegt werden, das gilt in Hessen bereits.

Naturwissenschaftliche Fächer müssen in den Grundkursen dreistündig unterrichtet werden. Das ist in Hessen bereits der Fall. pgh

Die jetzt beschlossenen Veränderungen seien ja nun auch „nicht gerade revolutionär“, urteilt der hessische Landeselternbeirat. Ob dadurch tatsächlich eine höhere Vergleichbarkeit der Abiturnoten erreicht werde, müsse erst noch die Praxis zeigen. Vergleichbarkeit sei immer ein Wunsch der Eltern gewesen, gerade auch, weil bisher die Chancengleichheit in Fächern mit einem Numerus clausus nicht gegeben sei. Bis tatsächlich die Praxis zeigen kann, ob sich die Ergebnisse besser als heute vergleichen lassen, wird allerdings noch einige Zeit ins Land gehen. Die neuen, von den Kultusminister:innen beschlossenen Regeln für die Oberstufe greifen erst 2027, sodass die ersten Jahrgänge, die unter den neuen Regeln gelernt haben, ihre Reifeprüfung im Jahr 2030 ablegen werden.

Wie der Landeselternbeirat sieht auch die Landesschüler:innenvertretung in den Beschlüssen keinen großen Wurf. Es sei zweifelhaft, ob die jetzt eingeleiteten Veränderungen maßgeblich dazu beitragen könnten, das Abitur innerhalb Deutschlands vergleichbarer zu gestalten.

„Individualität“ beschränkt

Gleichzeitig üben die Vertreter:innen der hessischen Schülerschaft Kritik an den erfolgten Neuregelungen, vor allem an der erhöhten Zahl von in das Abitur einzubringenden Grundkursen. Diese schränkten „die Individualität“ der Abiturient:innen ein.

Etwas anders formuliert, aber mit der gleichen Stoßrichtung versehen, liest sich das bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen. Dort hält man den Beschluss der Kultusministerkonferenz insgesamt für falsch. „Die Schülerschaft wird heterogener, die Anforderungen an sie ebenfalls“, schreibt Landesvorsitzender Thilo Hartmann. Im Sinne der Selbstständigkeit und Chancengleichheit solle den fast erwachsenen Schülern und Schülerinnen mehr Flexibilität auf dem Weg zum Abitur eingeräumt werden. Sie sollten verstärkt eigene Schwerpunkte setzen können. Vergleichbare Leistungen entstünden durch gute und vergleichbare Bildungsbedingungen von Anfang an.

In einem übrigens sind sich alle einig: Die Durchschnittsnote in der Abiturprüfung wird sich durch die neuen Oberstufenregelungen in Hessen wohl kaum signifikant verändern.

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