Hessischer Löwensenf: Twitter, Timing und Tiere

Im Hessischen Landtag geht es selten um Tiere. Und wenn doch, dann sind die entweder gefürchtet oder gebraten. Und manchmal vertut sich auch ein Politprofi beim Timing. Die Kolumne aus dem Landtag.
Timing ist alles, nicht nur beim Kochen, sondern auch in der Politik. Profis wissen das. Umso mehr musste man neulich über Michael Roth staunen. Auf Twitter zeigte der hessische SPD-Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker sich fröhlich grinsend mit einem Kaninchen im Arm. Dazu schwärmte Roth von seinem „Highlight des Jahres“, nämlich der 35. Bundes-Kaninchenschau in Kassel. Also nichts gegen knuddelige Häschen mit langen Ohren, aber gleich Highlight des Jahres? Wenige Tage vor dem „Hessengipfel“ der SPD in Friedewald, bei der Roths Genoss:innen bekanntgeben wollten, wer sie in den Landtagswahlkampf führt? Und war nicht am 8. Oktober auch irgendwas Spannendes in Hessen?
Womit wir bei Nancy Faeser wären. Denn auch über das Timing der Bundesinnenministerin wurde diese Woche im Hessischen Landtag gegrübelt. Auf jeden Fall in den Büros der Presseleute, vielleicht auch woanders. Monatelang war Faeser auf ihre mögliche Spitzenkandidatur in Hessen angesprochen worden, monatelang hat sie geschwiegen wie eine Sphinx. Günter Rudolph, SPD-Fraktionschef im Landtag und nie um einen flotten Spruch verlegen, wurde ungewohnt einsilbig, wenn es um Faeser ging. Geduldet euch, hieß es, Anfang Februar erfahrt ihr’s in Friedewald. Und was macht Faeser? Gibt nicht der hessischen Presse, sondern dem „Spiegel“ in Berlin direkt vorm „Hessengipfel“ ein Interview, in dem sie alles verrät. Und zu dem Fotos gezeigt werden, auf dem sie kein putziges Fellknäuel auf dem Arm hält, nicht einmal einen Polizeihund!
Wenn es im Landtag um Tiere geht, dann meistens um den Wolf
Apropos Fell. Um Tiere geht es im Hessischen Landtag eher selten, außer die Grünen wollen ihnen mit mehr Rücksicht auf Biodiversität wieder mal was Gutes tun oder Landwirte protestieren mit tierischer Unterstützung vorm Wiesbadener Stadtschloss, dem Sitz des Landtages. Alles schon passiert. Aber ein Tier hat schon länger Konjunktur im hessischen Parlament: der Wolf. Sie wissen schon, dieses brutale Raubtier, vor dem wir schon als Kinder Angst haben sollten und das in Hessen ganze Schafherden ... Oder so.
Zum Wolf gibt es im Landtag ganz unterschiedliche Ansichten. Die einen, etwa Umweltministerin Priska Hinz von den Grünen, freuen sich über die Rückkehr des Wolfes nach Hessen und werden nicht müde zu betonen, dass gerade mal zwei Dutzend der scheuen Tiere im Land wohnen, über die wir durch Fotofallen und Kotproben außerdem mehr wissen als über unsere eigenen Schmusekätzchen. Die anderen haben Angst vorm Wolf, etwa die FDP, und würden gern mehr Tiere zum Abschuss freigeben. Man wird sehen, wie die Debatte um das „Wolfsmanagement“ – ja, so heißt das wirklich – weitergeht.
Bei der CDU landen die Tiere gerne frisch gebraten auf dem Tisch
Bei der CDU gab es diese Woche übrigens auch tote Tiere, aber keine erlegten Wölfe, sondern geschlachtete Schweine. Schön gebraten als Schnitzel mit Kartoffelsalat. Die Landespressekonferenz, der Zusammenschluss aller Journalist:innen, die regelmäßig über hessische Landespolitik schreiben, hatte sich in eine holzvertäfelte Kellerkneipe in den Katakomben der Staatskanzlei verirrt, um mal in Ruhe und ohne laufende Kameras mit Ministerpräsident Boris Rhein zu plauschen. Verraten werden kann von dem vertraulichen Gespräch natürlich nichts. Nur so viel: Das Highlight des Jahres von Boris Rhein handelt 2023 nicht von Kaninchen, auch nicht von Walen. Sondern von Wahlen. (Jutta Rippegather und Hanning Voigts)
Jutta Rippegather und Hanning Voigts berichten für die FR aus dem Hessischen Landtag. Einmal die Woche geben sie ihren Senf dazu. Alle Kolumnen im Internet unter: fr.de/loewensenf