Hessens Fahrplan zur Klimaneutralität

Die Landesregierung will das Ziel bis 2045 erreichen, vor allem mit Anreizen und Klimaanpassung. Kritik kommt vom BUND und der Opposition.
Mit rund 90 konkreten Vorhaben will die schwarz-grüne Landesregierung die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 erreichen. Ein ambitioniertes Ziel, wie Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (beide Grüne) am Montag bei der Vorstellung des neuen Klimaplans versicherten. Er trat am Montag in Kraft. Als bundesweiter Verkehrsknotenpunkt sei Hessen auch abhängig von der Politik auf Ebene des Bundes und der EU. Die Bevölkerung müsse mitziehen - etwa bei der Sanierung ihrer Heizungen und Gebäude. Al-Wazir betonte, dass bereits 50 Prozent des Ziels erreicht sei. „Die zweite Hälfte ist immer die schwierigste.“ Wenn dies gelinge, profitierten alle: „Der Klimaplan ist kein Verbotskatalog, sondern ein Chancenkatalog.“
Fördermittel verdoppelt
Das neue Regelwerk löst den Integrierten Klimaschutzplan Hessen 2025 ab. Die Fördermittel im Doppelhaushalt 2023/24 sind auf 370 Millionen Euro verdoppelt. Das Geld fließt in Förderung und Beratung. Der bis zum Jahr 2030 gültige Plan bilde den Rahmen für künftige Gesetze und Verordnungen, hieß es. Als Zwischenziel ist eine Treibhausgasreduktion um 65 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 ausgegeben.
Das reiche nicht aus, so der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Auch seien die Vorhaben zu unkonkret, um die Klimaziele tatsächlich zu erreichen. Kritik kam auch von der Opposition: Der Klimaplan sei „Ausdruck des kleinsten gemeinsamen Nenners innerhalb der Koalition und bietet wenig Neues“. „Peinlich“ sei, dass die CO2-Neutralität der Verwaltung nur durch den Ankauf von Zertifikaten möglich sein soll, urteilte Gernot Grumbach (SPD). FDP-Fraktionschef René Rock vermisst die „wichtigen Potenziale von Biomasse, Geothermie und Wasserkraft“. Die sozialen Folgen des Klimaschutzes würden so gut wie nicht berücksichtigt, monierte Linkenpolitikerin Elisabeth Kula.
Eine Auswahl der im Plan zu findenden Vorhaben:
Vorbild Landesverwaltung Die Landesverwaltung soll bis zum Jahr 2030 und darüber hinaus klimaneutral arbeiten; durch Gebäudesanierungen, weniger Emissionen bei Mobilität und Beschaffung. Die Federführung obliegt dem Finanzministerium. Zunächst wird das Ziel mit Kompensationszertifikaten erreicht.
Kommunen Mehr Unterstützung und Beratung für die 367 hessischen Klima-Kommunen. Ausbau des Förderprogramms für Klimaschutz und Klimaanpassung, es gibt Zuschüsse für Klimapersonal als Anschluss zur Bundesförderung und Quartierskonzepte zur Klimawandelanpassung. Die Förderung für Zisternen wird in die kommunale Förderung integriert.
Landnutzung Rund 30 Millionen Euro stehen für insgesamt 22 „Landnutzungsmaßnahmen“ zur Verfügung; etwa in der Landwirtschaft oder den Wäldern. Hinz: „Klimaschutz und die Anpassung an die unvermeidbaren Folgen der Klimakrise sind hier besonders eng verknüpft.“
Moore und Wälder Waldmoore als wichtiger CO2-Speicher werden renaturiert, auch um Emissionen zu reduzieren und seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu schützen. Die Renaturierung beginnt in diesem Jahr, Waldbesitzende bekommen Beratung. Der Klimaplan fördert Wasserrückhalt im Wald, um die Situation während Trockenperioden zu verbessern, als Feuerlöschteiche und um die Gefahren für Hochwasser zu senken.
Landwirtschaft In den nächsten acht Jahren entsteht mindestens 100 Hektar Agroforst neu. Die Kombination von Gehölzen mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen soll Emissionen verringern, zusätzlich Kohlenstoff im Boden speichern. Der Landesbetrieb Landwirtschaft und Forschungsvorhaben berät, wie es funktioniert.
Biotopverbund Bei einer stärkeren Vernetzung der Biotope können Tiere und Pflanzen in kühlere oder feuchtere Gebiete wandern. Ökosysteme werden wiederhergestellt und stabilisiert. Der Fokus liegt auf der Finanzierung großer, grenzüberschreitender und beispielgebender Biotopverbundprojekte, wie beispielsweise dem Kreuzotterprojekt im Hessischen und Bayerischen Spessart oder den hessischen Rheinwinterdeichen. Geplant ist der Kauf und Tausch von Flächen, um den Verbund zu vergrößern.
Holzbauoffensive Ziel ist eine Steigerung der Holzbauquote auf mindestens 25 Prozent im mehrgeschossigen Wohnungsbau, im Nichtwohnungsbau auf 20 Prozent bis 2030. In Kooperation mit der Ingenieurkammer und der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen werden Fortbildungen für die Holzbauweise angeboten. Hochschulen werden sensibilisiert, kommunale Ideen zur Entwicklung von Holzbauprojekten gefördert.
Baustoffrecycling Ein Online-Marktplatz bringt Angebot und Nachfrage möglichst regional zusammen - etwa bei wiederverwendbarem Erdaushub oder Bauteilen. Das soll Stoffkreisläufe schließen, Ressourcen sparen und Deponien entlasten.
Erneuerbare Flächen im Staatseigentum werden für die Nutzung von Windenergie und Photovoltaik-Freiflächenanlagen sowie für die Erzeugung von erneuerbarer Wärme und deren Einspeisung in Wärmenetze bereit gestellt. Eine Freiflächen-Solar-Verordnung ermöglicht größere Solarparks. Noch in diesem Jahr startet das Land eine Förderung für innovative Photovoltaik-Stromerzeugungskonzepte.
Wärmewende Die Landesagentur baut ihr Beratungsangebot bei kommunaler Wärmeplanung aus. Dabei geht es etwa darum, wie die Abwärme von Rechenzentren genutzt werden kann.
Energiewende-Fachkräfte Es gibt Qualifizierungsangebote für das Handwerk, Angebote bei der Berufsorientierung im Bereich Energiewirtschaft, Energieversorgung und Bau- und Ausbaugewerbe. Al-Wazir: „Je früher wir junge Menschen an Berufe der Energiewende heranführen, desto eher werden sie sich später für einen solchen entscheiden, da bin ich mir sicher.“
Unternehmen Die Servicestelle Wirtschaftswandel Hessen hilft hessischen Unternehmen bei der Transformation hin zu einem nachhaltigen und krisensicheren Wirtschaften. Eine Bedarfsanalyse soll ermitteln, welche Unternehmen wann welche Investitionen planen, damit sich die Genehmigungsbehörden entsprechend darauf einstellen können. Ein neuer „Club der klimaneutralen Unternehmen“ ermuntert andere Betriebe durch Erfolgsstories.
Finanzwirtschaft Bank-Aktivitäten müssen mit hessischen, deutschen und europäischen Klimazielen in Einklang gebracht werden. Der Klimaplan sieht ein „Methoden-Toolkit“ zur Messung von Klimawirkungen der Kreditportfolien vor. Es soll bis Ende 2025 für Banken verfügbar sein.
Verkehr Das Land fördert Verkehrswender:innen in hessischen Kommunen für einen Zeitraum von 30 Monaten. Sie sollen bei Mobilitätsmanagement unterstützen oder größere Projekte zur Umverteilung öffentlicher Räume vorantreiben. Das Land fördert Projekte, die intermodale Belieferungsstrukturen mit alternativen Antrieben aufbauen und wirbt für Verkehrsvermeidung durch Homeoffice oder Coworking-Spaces abseits der urbanen Räume. Für alle 21 hessischen Landkreise werden bis 2030 Nahmobilitätskoordinator:innen gefördert. Sie sollen die Kommunen beraten, wie sie die Mittel des Landes für den Rad- und Fußwegeausbau abrufen können.
Mehr Informationen online unter: https://www.klimaplan-hessen.de/der-klimaplan-hessen