Hessen: „Wir bleiben von der Wasserstofftechnologie überzeugt“

Alstom-Manager Sprotte spricht im Interview über den Fehlstart im Taunusnetz, Qualitätsmängel der Fahrzeuge und ein ramponiertes Image.
Um die größte Wasserstoffzugflotte der Welt wurde im Vorfeld viel Wirbel veranstaltet. Doch bei Inbetriebnahme im Dezember kam es zu erheblichen Problemen. Wir fragten beim Hersteller Alstom nach den Gründen und wann sie behoben sind.
Herr Sprotte, sind Sie zu früh gestartet?
Es gab einen klar vereinbarten Starttermin im Dezember. Den wollten wir unbedingt halten. Wir müssen leider einräumen, dass wir keinen guten Start hingelegt haben. Für die dadurch entstanden Unannehmlichkeiten bitte ich nochmal ausdrücklich alle Fahrgäste, den RMV und das Verkehrsunternehmen Start um Entschuldigung. Wir setzen alles dran, dies so schnell wie möglich zu korrigieren. Bei der Beurteilung der Situation im Taunusnetz bitten wir auch zu berücksichtigen, unter welch schwierigen Marktbedingungen wir gestartet sind. Die Folgen von Pandemie, Ukraine-Krieg und Embargos machen der Industrie weltweit zu schaffen. Das geht mit beispiellosen Personal- und Materialengpässen einher. Und so etwas hatten wir zuvor noch nie.
Nun wusste Alstom davon nicht erst seit Dezember. Deshalb nochmal meine Frage: Sind Sie zu früh gestartet?
Alstom beschäftigt sich mit der Wasserstofftechnologie seit über zehn Jahren. Schon 2014 haben wir Vorserienfahrzeuge gebaut, um zu zeigen, dass die Technologie für die Schiene funktioniert. Die Züge haben wir durch ganz Europa geschickt, haben die Technologie auf Herz und Nieren geprüft – auch auf höchst anspruchsvollen Strecken und im Passagierbetrieb. Vor diesem Hintergrund sind wir mit dem Wasserstoffantrieb an sich nicht zu früh gestartet. Allerdings hätte mehr Testzeit direkt vor Ort im RMV-Netz sich ganz sicher positiv auf den Betriebsstart ausgewirkt.
Wie wollen Sie den Imageschaden reparieren? Zweifelden an dieser Technologie spielt das in die Hände?
Projekterfolg ist der Schlüssel. Wir müssen zeigen, dass auch im RMV-Netz funktioniert, was andernorts schon sehr erfolgreich funktioniert hat. Der Weg dahin ist klar: Kritische Komponenten mit Qualitätsmängeln, die die Leistung und Zuverlässigkeit der neuen Züge beeinträchtigen, müssen ausgetauscht werden. Wir wollen so schnell wie möglich wieder die Qualität liefern, die wir seit Jahrzehnten unter Beweis stellen, übrigens auch in Hessen.
Wo in Hessen sind Ihre Fahrzeuge im Einsatz?

Es rollen allein über 200 S-Bahn-Züge von Alstom durch Hessen. Mehr als 150 ein- und zweistöckige Regionalzüge von uns sind kreuz und quer in Hessen unterwegs. Dann gibt es noch die Alstom-Straßenbahnen in Frankfurt. Hessen ist für uns ein wichtiges Bundesland und der RMV sowie die Hessische Landesbahn sind für uns sehr gute und langjährige Partner.
Was sind das für Komponenten minderer Qualität, die Sie ausgetauscht müssen?
Es sind Komponenten, die für das Energiemanagement und das alternative Antriebssystem der Züge von zentraler Bedeutung sind. Aufgabe einer dieser Schlüsselkomponenten ist beispielsweise, den Wasserstoff in Antriebsenergie umzuwandeln. Wenn das nicht hundertprozentig funktioniert, dann führt das automatisch zu negativen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit der Züge.
Negative Auswirkungen heißt, das Fahrzeug bekommt zu wenig Energie und bleibt stehen, weil der Lieferant nicht die gewohnte Qualität geliefert hat?
So ist es zum Teil, leider.
Und hat der Zulieferer jetzt bessere Qualität geliefert?
Es gibt neue, verbesserte Generationen der Schlüsselkomponenten. Diese werden schnellstmöglich in die bereits im Taunus vorhandenen zehn Fahrzeuge eingebaut. Dabei ist das Austauschprogramm für die Komponenten immer auch abhängig von der Materialverfügbarkeit. Dies ist mit Blick auf die Geschwindigkeit ein limitierender Faktor.
Zur Person
Jens Sprotte ist seit 2003 bei Alstom in verschiedenen Management-Positionen tätig. Seit 2021 als Vice President Business Development der Region Deutschland, Österreich, Schweiz.
Alstom entwickelt und vertreibt Mobilitätslösungen für eine kohlenstoffarme Zukunft. Von Hochgeschwindigkeitszügen, U-Bahnen, Monorail und Straßenbahnen über schlüsselfertige Systeme, Dienstleistungen, Infrastruktur und Signaltechnik bis zu digitalen Mobilitätslösungen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Frankreich ist in 70 Ländern vertreten und beschäftigt mehr als 74 000 Mitarbeitende.
Die Bauarbeiten auf der Strecke der Taunusbahn enden am 27. Februar, der Schienenbetrieb geht wieder los. jur
Bestellt sind 27 Fahrzeuge, die Sie im Dezember hätten liefern sollen. Wann ist die größte Wasserstoffflotte der Welt komplett?
Es ist geplant, dass die Flotte im Juni komplett ist. Doch beim Austausch der Komponenten und bei der Herstellung der übrigen Fahrzeuge muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Die Komponenten müssen pünktlich und einwandfrei geliefert werden. Auf den Materialaustausch folgen Tests. Erst dann können die umgebauten Fahrzeuge wieder Stück für Stück in den Betrieb gehen.
Dann stellt sich die Frage, ob in der Zeit genug Ersatzfahrzeuge zur Verfügung stehen?
Wir haben den Ersatzverkehr zusammen mit der Betreibergesellschaft Start sowie der Hessischen Landesbahn organisiert. Diesen Partnern und dem RMV sind wir für die professionelle Unterstützung wirklich sehr dankbar.
Und wie lange ist der Ersatzverkehr sichergestellt?
Er wird so lange sicher sein, bis wir alle 27 Fahrzeuge im Einsatz haben.
Das kostet viel Geld. Wer trägt die Mehrkosten?
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich über unsere Verträge nicht sprechen kann. Aber seien Sie versichert, die Kommunen oder der Steuerzahler werden nicht belastet.
Was entschädigt die Fahrgäste?
Wir wollen die ursprüngliche Zustimmung und Begeisterung der Fahrgäste für die Wasserstoffzüge wieder zurückgewinnen. Sie bekommen tolle Fahrzeuge, die einen wichtigen Beitrag für das Klima leisten.
Hatte Alstom wegen der Probleme im Taunus Stornierungen?
Nein. Wir und unsere Kunden weltweit sind von der Wasserstofftechnologie voll und ganz überzeugt.
Aber hat sich das Ausrollen der iLint-Züge international jetzt nicht zeitlich nach hinten verschoben?
Weltweit gesehen sind wir im Zeitplan, daran halten wir auch fest.
Welche Lehren ziehen Sie aus diesem Fehlstart?
Positiv ist, dass wir Partner haben, mit denen wir auch bei Schwierigkeiten vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Deshalb an der Stelle nochmal mein ausdrücklicher Dank an den RMV und die beteiligten Projektpartner. Andererseits müssen wir erkennen, dass es in Krisenzeiten zu Rückschlägen kommen kann. Wir werden noch mehr dafür tun, die Qualität auf allen Ebenen konsequent abzusichern. Hier in Hessen setzen wir alle Hebel in Bewegung, um die Situation so schnell und gründlich wie möglich zu verbessern und dieses Projekt in die Erfolgsspur zu bringen.