Hessen: „Wichtig ist, eigene Grenzen zu erkennen“

DRK-Referentin Sarah Völker über die Inhalte und Ziele des neuen Kursangebots Psychische Erste Hilfe.
Oft wissen Menschen nicht, wie sie mit psychisch Erkrankten umgehen sollen. Ein neues Angebot des Deutsche Rote Kreuz Hessen soll helfen, psychische Erkrankungen zu erkennen und adäquat zu handeln. Der nächste eintägige Kurs Psychische Erste Hilfe für Laien findet am 18. März in Wiesbaden statt. Sarah Völker ist unter anderem verantwortlich für das Handbuch, das jeder Teilnehmende erhält.
Frau Völker, ein Psychischer Erste-Hilfe-Kurs ist etwas Neues. Warum halten Sie ein solches Angebot für notwendig?
Psychische Belastungen im Arbeitsleben haben seit Jahren stark zugenommen. Das zeigen die Statistiken der Krankenkassen. Daraus resultieren die meisten Krankschreibungen. Wir wollen das Know-how vermitteln, betroffene Personen anzusprechen und sie zu unterstützen, dass es vielleicht gar nicht erst zur Arbeitsunfähigkeit kommt. Dass früher ein Hilfsangebot, ein Unterstützungsangebot Hilfe da ist. Das lässt sich natürlich auch in den Freundes- und Familienkreis übertragen. Wir wollen, dass die Menschen einfach ein bisschen sensitiver sind und die Psyche aus ihrer Tabuecke herauskommt. Dass man sie als grundlegendes Wesen aller Menschen anerkennt.
Und warum gerade jetzt?
Weil der Bedarf da ist. Durch Medienberichte über psychische Störungen wie Burn out oder Ess-/Brechstörung ist das Thema in die Öffentlichkeit gerückt. Leider ein Stück weit negativ. Jeder weiß, dass es psychische Erkrankungen gibt, und dass viele Menschen darunter leiden. Jetzt bieten wir die Hilfe an, jemand zu unterstützen. Unsere Evaluation der drei Pilotkurse im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass 80 Prozent der Teilnehmer das Erlernte schon angewandt hatten.
Nehmen wir an ich habe einen Kollegen, der sich merklich verändert. Wirre Dinge redet, sich zurückzieht. Was würden Sie mir empfehlen?
Erstmal sich selbst darüber klarwerden, woran sich die Veränderung festmachen lässt. Das vereinfacht das Gespräch mit dem Kollegen. Man kann konkret sagen: Ich habe gemerkt, dass du in der Situation anders reagiert hast als sonst. Ein paar Tage später nochmal. Da hast du einen merkwürdigen Satz gesagt. Ich mache mir Sorgen, kann ich dich unterstützen, kann ich was für dich tun, was ist denn los?
Zur Person
Sarah Völker (43 ) ist Referentin für Erste-Hilfe beim DRK. Sie arbeitete mit in der Arbeitsgruppe Psychische Erste Hilfe, die aus DRK-Expert:innen aus dem Bereich Psychosoziale Notfallversorgung besteht sowie einer externen Psychologin.
Der nächste Kurs findet am Samstag, 18. März, in der DRK-Landesgeschäftsstelle in der Abraham-Lincoln-Straße 7 in Wiesbaden statt. Es gibt 15 Plätze, die Teilnahme kostet 90 Euro. jur
Anmeldungen unter drk-hessen.de/psychische-erste-hilfe.html
Und wenn der Kollege das Angebot annimmt?
Ihn unterstützen und begleiten. Mut machen. Ganz rudimentär mit ihm zusammen erstmal im Internet schauen. Was kann man machen? Gibt es vielleicht eine Selbsthilfegruppe? Wie bekomme ich einen Termin beim Therapeuten? Oder sich aussprechen. Grundsätzlich ist auch der Hausarzt eine Ansprechstelle. Je nachdem wie angstbesetzt der Kollege ist kann man auch anbieten, ihn zum Arzt zu begleiten, dort im Wartezimmer zu warten. Wichtig ist, den Betroffenen nicht zu entmündigen, zu sagen: Ich mache einen Termin für dich.
Was ist Ihre Zielgruppe?
In den drei Pilotkursen waren Bereichs- und Abteilungsleitungen dabei, Mütter, Kollegen. Unser Angebot richtet sich an alle. Es gibt keine Einschränkungen. Wir möchten jeden ansprechen, der Interesse hat oder ein Stück weit betroffen ist und eine andere Perspektive haben möchte.
Der Kurs umfasst neun Unterrichtseinheiten. Was ist der Inhalt?
Wir haben das Konzept an das Feedback der Teilnehmer angepasst und den Fokus noch mehr auf die Handlungsfähigkeit gelegt, wie ich jemanden begleiten kann, ansprechen kann.
Was heißt das konkret?
Los geht es mit grundlegenden Themen: Was ist Psyche überhaupt? Wie bestimmt sie uns in unserem Alltag? Dann gehen wir kurz auf ein paar der bekannten psychischen Störungen ein, wie Angststörungen oder Psychotrauma, Suchterkrankungen, Depressionen. Jede Störung wird mit situativen Handlungstrainings verknüpft, so dass die Teilnehmer direkt eine Aktivität mitnehmen können. Abschließend behandeln wir die Psychohygiene. Wie schütze ich mich selbst. Es ist ganz wichtig, dass man sich nicht selbst aufgibt, wenn man eine psychisch erkrankte Person unterstützt. Dass man seine Grenzen erkennt. Dass man jemand zum Arzt begleiten, aber danach wieder gehen kann. Das ist total legitim und auch ganz, ganz wichtig.